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Sonntag, 30. September 2012

Koushun Takami

Koushun Takami wurde 1969 als Koji Takami in Amagasaki geboren und wuchs in der Präfektur Kagawa auf. Er schloss sein Literaturstudium an der Osaka Universität an und arbeitete im Anschluss als Journalist für die Shikoku Shimbun.

Seinen bisher einzigen Roman „Battle Royale“ schloss er ab, als er seinen Job 1996 schmiss. „Battle Royale“ wurde vom japanischen Literaturpreis für Horrorromane aufgrund seiner umstrittenen Handlung ausgeschlossen. Schließlich gelang Koushun Takami die Veröffentlichung 1999. „Battle Royale“ wurde zum Bestseller und als Manga und Kinofilm adaptiert. Obwohl die englische Übersetzung bereits 2002 im UK erhältlich war, wurde der Roman in den USA erst 2012 veröffentlicht. Auch der Kinofilm schaffte es in den USA nicht auf die Kinoleinwand – kurz nach dem Amoklauf von Columbine war „Battle Royale“ zu umstritten. Quentin Tarantino zählt „Battle Royale“ zu seinen Lieblingsfilmen (vgl. The Japan Times).

Aufgrund der Ähnlichkeit der Handlung musste sich Suzanne Collins mit ihren „Die Tribute von Panem“ (im Englischen: „The Hunger Games“) von Koushun Takami-Fans Plagiat vorwerfen lassen. Die Autorin gibt jedoch an, „Battle Royale“ im Vorfeld nicht gekannt zu haben.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Freitag, 28. September 2012

„Expansion“, „Kompression“ & „Implosion“ – „Mardock Scramble“ von To Ubukata

Eine sprechende Maus, ein sprechender Delfin und fliegende Haie – das sind nur einige wenige Zutaten der „Mardock Trilogie“ von To Ubukata. Im Zentrum der phantastischen Science Fiction-Geschichte steht die 15-jährige Rune Balot, der das Schicksal bereits übelst mitgespielt hat. Vom Vater missbraucht rutscht sie ins Rotlichtmilieu, wird jugendliche Prostituierte und Pornodarstellerin. Doch es kommt noch schlimmer: Der Spieler, Kasino-Besitzer und Kriminelle Shell nimmt sie sich als Geliebte. Was für Balot zunächst wie ein Glücksfall aussieht, verwandelt sich in den nächsten Alptraum: Shell hat seine letzten Geliebten alle getötet – Balot soll die nächste sein. Doch als Balot bereits mit dem Leben ringt, wird sie unversehens von Doc Easter und seinem Partner Oeufcoque gerettet. Beide sind Ausgestoßene, die der Gesellschaft ihre Nützlichkeit beweisen müssen. Sie nutzen geheime militärische Technik, um die schwer verletzte Balot in ein High-Tech-Wesen zu verwandeln: Balot verfügt so über feinste Sensorik und Reaktionsschnelle und kann technische Geräte manipulieren. Dank Doc Easter und Oeufcoque – eigentlich eine Maus, aber doch auch ein Universalwerkzeug – wird Balot in ein Programm zum Schutz von bedrohtem Leben aufgenommen. Der Kampf gegen Shells Machenschaften und die Organisation, die hinter ihm steht, ist somit eröffnet.

In der phantastischen Großstadt Mardock-City wird vor allem Shells Bodyguard Boiled, der wie Balot mit diversen technischen Raffinessen ausgestattet ist, zum großen Widersacher. Doch Balot weiß sich gegen die von Boiled angeheuerten Killer weiß Gott gut zu wehren. Die Transplantationsfetischisten, die sich gerne Körperteile ihrer Opfer einsetzen lassen, werden Balots neu erworbene Fähigkeiten bitter zu spüren bekommen.

Mehr noch: Balot geht zusammen mit Doc Easter und Oeufcoque zur Offensive über. Shell hat etwas zu verbergen. Um sein Geheimnis zu lüften, verschlägt es die drei in dessen Kasino. Es geht darum, aus wenigen tausend Dollar vier Millionen zu machen. Vom Ausgang des Spiels hängt nicht nur Balots Leben ab.

Um die tausend Seiten umfassen die drei Bände der „Mardock Trilogie“. Von einigen Längen bei den Kasino-Szenen abgesehen entspinnt sich ein mehr als spannender Science Fiction Roman, der einen bis zum Schluss nicht mehr loslässt. To Ubukata gelingt es trotz aller Action aber auch, durch philosophisch anmutende Dialoge etwas Anspruch in die Handlung zu bringen. Natürlich bleibt die „Mardock Trilogie“ leichte Kost, aber wer rasantes Entertainment sucht, wird hier sicherlich fündig.

Schade nur, dass der Heyne Verlag eine Trilogie erschaffen hat, die im Original und im Englischen nicht existiert. Denn hier sind die drei Teile in einem vereint. Band eins „Kompression“ endet an einer der spannendsten Stellen des Buches – und ausgerechnet Band zwei „Expansion“ ist der seltenste und teuerste der vergriffenen Bände.

Bibliographische Angaben:
Ubukata, To: „Kompression“, Heyne, München 2006, ISBN 978-3-453-52176-6
Ubukata, To: „Expansion“, Heyne, München 2007, ISBN 978-3-453-52177-3
Ubukata, To: „Implosion“, Heyne, München, 2007, ISBN 978-3-453-52179-7

Mittwoch, 26. September 2012

To Ubukata

To Ubukata (manchmal auch: Tow Ubukata, Jahrgang 1977) verbrachte einige Jahre seiner Kindheit und Jugend in Singapur bzw. Nepal. Er studierte in der Waseda-Universität in Tokio. Bereits während seines Studiums, das er nicht abschloss, publizierte er Mangas und Romane und arbeitete für Computerspielhersteller.

2003 erhielt er für „Mardock Scramble“ den japanischen Science Fiction-Preis. Seine Werke dienten unter anderem als Vorlage für Computerspiele und Animes.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Montag, 24. September 2012

„Die Teufel des Tsurugi-Bergs“ von Osamu Dazai

In Osamu Dazais Vorwort von „Die Teufel des Tsurugi-Bergs“ zeichnet der Autor zweifellos ein Bild seiner selbst: Er kauert zusammen mit seiner Familie während eines Bombenangriffs im Luftschutzgraben und versucht, seine Tochter mit dem Vorlesen aus einem Märchen-Bilderbuch ruhig zu stellen. Doch in ihm gärt es, die Geschichten würde er gerne auf seine eigene Art erzählen. Und das tut Osamu Dazai dann auch in „Die Teufel des Tsurugi-Bergs“.

Er beginnt mit „Der Mann mit der Beule“: Ein alter Mann, dem Sake ziemlich zugetan, lebt mit seiner grantigen Ehefrau und seinem besonders tugendhaften Sohn recht spaßbefreit dahin. Seit einigen Jahren hat er eine Beule im Gesicht, die er ganz gerne als sein Enkelkind bezeichnet. Von seinem Streber-Sohn hat er ja schließlich kaum Nachwuchs zu erwarten. Als der Alte eines Abends angeheitert nach dem Reisigsammeln auf dem Tsurugi-Berg einschläft, wird er von den gutmütigen, tanzenden Teufeln geweckt. Immer noch angesäuselt hat der Alte seinen Spaß dabei, sich zu den tanzenden Teufeln zu gesellen. Die finden den Alten so goldig, dass sie ihn zwingen möchten, in der nächsten Nacht erneut zum Tanz zu kommen – und behalten die Beule als Pfand. Zurück in seinem Heimatdorf erregt der plötzliche Verlust des Furunkels einiges Aufsehen. Auch ein anderer von Beulen geplagter Einwohner möchte nun seine Heilung bei den Teufeln des Tsurugi-Bergs suchen...

„Urashima Taro“ ist das bekannte Märchen über den jungen Mann, der von einer Schildkröte, der er das Leben gerettet hat, zum Dank in den Drachenpalast im Meer geführt wird. Doch die Zeit vergeht Oberirdisch leider etwas anders als unter Wasser. Soweit die Handlung – interessanter sind jedoch Osamu Dazais Dialoge zwischen dem doch recht eingebildeten Jüngling und der Schildkröte, die ihn immer wieder in seine Schranken weist. Denn im Drachenpalast ist er doch nur ein lumpiger Provinzler.

In „Der Kachikachi-Berg“ geht’s recht fies zur Sache. Ein Häschen will Rache an einem Tanuki üben – hat der doch eine befreundete Frau umgebracht. Da der dumpfbackige Tanuki über alle Ohren in das Häschen verschossen ist, spielt das dem listigen Häschen in die Hände. Der Ärmste wird auf seinem Weg in den Abgrund ganz schön leiden müssen.

„Der Sperling mit der abgeschnittenen Zunge“ handelt von einem phlegmatischen Alten und seiner missmutigen Ehefrau. Als der Alte einen verletzten Sperling im Wald aufliest, hat er einen neuen, kleinen Freund gefunden, den er wieder aufpäppelt. Aus Eifersucht reißt die Ehefrau dem Vögelchen die Zunge heraus; der Sperling flattert auf und davon. Doch der Alte wird seinen Freund wieder sehen – ebenso die eifersüchtige Ehefrau.

Osamu Dazais Märchen leben vor allem von den lebhaften Dialogen der Protagonisten und den bildlichen, überspitzten Charakterisierungen. Deswegen musste auch das Märchen von „Momotaro“ unangetastet bleiben – musste dieser Held doch während der Kriegszeit als Propagandavorbild herhalten und durfte keinesfalls in Misskredit geführt werden. Doch auch Osamu Dazais umgesetzte Neuinterpretationen der Märchen sind eng mit dem Krieg verknüpft:

„ich schrieb es also in meinen Mußestunden nach und nach fort als ein Buch, das den Menschen, die tapfer zur Überwindung dieser dunklen Zeit Japans kämpfen, in ihrer spärlichen Freizeit zum bescheidenen Trost gereichen möge.“ (S. 105)

Dem Werk nachgestellt sind die Originalmärchen. Liest man diese zum Vergleich, zeigt sich erst recht das literarische Genie des Osamu Dazai. Er entstaubt die Märchen, fügt enormen Sprachwitz und seine eigenen Interpretationen der Moral hinzu. Wer möchte da nicht zusammen mit dem beschwipsten Alten ein kleines Tänzchen mit den Teufeln des Tsurugi-Berges wagen?

Bibliographische Angaben:
Dazai, Osamu: „Die Teufel des Tsurugi-Bergs“, be.bra, Berlin 2012, ISBN 978-3-86124-915-3

Donnerstag, 20. September 2012

„Schafsgesänge“ von Shuichi Kato

Das Schaf gilt nicht unbedingt als die Personifizierung des Mutes und hat als Herdentier nicht gerade das Image eines willensstarken Individuums. Shuichi Kato, im Jahr des Schafes 1919 geboren, etablierte sich jedoch schon früh als Beobachter mit individuellem Standpunkt. Mit der Literaturgruppe „Matinée Poetique" war er kein Regime-treuer Literat während des zweiten Weltkriegs. Später entwickelte er sich gar zu einer moralischen Instanz.

Mit „Schafsgesänge“ schrieb Shuichi Kato seinen Lebensweg bis ins Jahr 1960 nieder. Der erste Teil der Gesänge, in dem seine Kindheit, Jugend und Studienjahre geschildert werden, liegt derzeit noch nicht in Übersetzung vor. Der zweite, ins Deutsche übersetzte Teil, setzt im September 1945 ein. Noch in Japan darf der Leser den Autor auf Forschungsmission begleiten, als er die Folgen des Atombombenabwurfs über Hiroshima untersucht. Mehr schlecht als recht kann er sich mit den US-amerikanischen Forscherkollegen verständigen.

„Im Herbst 1945 in die japanische Nachkriegsgesellschaft aufgebrochen, machte ich mich im Herbst 1951 auf den Weg, mir den Westen anzuschauen – der zweite Aufbruch in meinem Leben“ (S. 53)

Und so landet Shuichi Kato in Paris, im 14. Arrondissment, im „Japan-Haus“. Da nur wenige Japaner in Paris weilen, macht er vielfältige, internationale Bekanntschaften. So lernt er beispielsweise die französischen Literaten der „Klostergruppe“ kennen. Shuichi Kato begleitet bald den Dichter René Arcos auf eine Tagung des PEN-Clubs nach Südfrankreich und zieht gar in dessen Haus mit ein. Auf einer Reise nach Italien lernt er eine ebenfalls herumreisende Wienerin kennen – und lieben. Er besucht sie in Wien, später in London und verlässt später gar seine Quasi-Verlobte für die Europäerin. Als Literat führt es ihn schließlich bis nach Taschkent für Vorbereitungen für den Afro-Asiatischen Schriftstellerkongress.

Shuichi Katos „Schafsgesänge“ sind nicht nur ein äußerst interessantes Zeitzeugnis. Der Autor sieht sich vor allem in der Rolle eines Beobachters und zieht Vergleiche zwischen den Kulturen. Seine pazifistische Gesinnung wird zudem transportiert. Nur leider wurde meine Neugierde nicht ganz befriedigt: Gab es ein Happy End für die Liebe zwischen der Wienerin und dam Autor/Mediziner aus Japan?

Bibliographische Angaben:
Kato, Shuichi: „Schafsgesänge“, Insel, Frankfurt am Main/Leipzig 1997, ISBN 3-458-16842-7

Mittwoch, 19. September 2012

Shuichi Kato

Der 1919 geborene Intellektuelle, Mediziner, Literat und Kritiker Shuichi Kato interessierte sich schon früh für Literatur, entschied sich jedoch für ein Medizinstudium an der Kaiserlichen Universität von Tokio. 1942 begründete er zusammen mit Takehiko Fukunaga und Shinichiro Nakamura den Literaturzirkel „Matinée Poetique“.

1946 war Shuichi Kato Teil eines medizinischen, japanisch-amerikanischen Untersuchungsteams, das sich mit den Folgen des Atombombenabwurfs über Hiroshima befasste. Als einer der ersten japanischen Austauschstudenten nach dem Krieg ging er 1951 für drei Jahre nach Frankreich. Während dieser Zeit schrieb Shuichi Kato fleißig und wurde nach seiner Rückkehr nach Japan Vollzeit-Autor. Er unterrichtete zudem an Universitäten unter anderem in Japan, den USA, Kanada und Deutschland. Für die Asahi Shimbun schrieb er ab dem Jahr 1980 eine regelmäßige Kolumne. 1993 erhielt er den französischen Ordre des Arts et des Lettres.

2008 starb der umtriebige Autor, der als Liberaler, Friedensaktivist und moralische Institution galt. Besondere Achtung erhielt Shuichi Kato für die Publikation „Geschichte der japanischen Literatur“.

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Hier rezensiert:

Weitere ins Deutsche übersetzte Werke:
  • Geheimnis Japan
  • Geschichte der japanischen Literatur
  • Närrische Gedanken am Abend

Sonntag, 9. September 2012

„Die Banshu-Ebene“ von Yuriko Miyamoto

Der Band „Die Banshu-Ebene“ von Yuriko Miyamoto enthält neben der gleichnamigen autobiographischen Erzählung noch zwei weitere namens „Die Brust“ und „Fuchiso“.

„Die Brust“ aus dem Jahr 1935 war eines der letzen Werke der proletarischen Literaturbewegung, das noch veröffentlicht werden konnte. Wie Jürgen Berndt im Vorwort bereits beschreibt, wirkt diese Erzählung noch etwas ungeschliffen. Sie handelt von der jungen Hiroko, deren Ehemann Jukichi als politischer Gefangener einsitzt. Auch Hiroko betätigt sich für die Belange der Arbeiter. Sie arbeitet in einem Kindergarten der „Arbeiter-und-Bauern-Hilfe“ und setzt sich für Gewerkschaftler ein. Im Kindergarten taucht hin und wieder der zwielichtige Usui auf – hat Hiroko den richtigen Riecher, dass dieser Kerl nicht hinter der linken Bewegung steht?

In „Die Banshu-Ebene“ begegnen wir Hiroko wieder. Die Jahre sind ins Land gegangen und Hiroko, deren Ehemann noch immer inhaftiert ist, erlebt in der Evakuierung die Kapitulation Japans am 15. August 1945. In Rückblenden erfährt der Leser, wie es ihr und ihrem Ehemann zwischenzeitlich ergangen ist. Als sie Post von ihrer Schwiegermutter erhält, dass Hirokos Schwager als vermisst gilt, schlägt sich Hiroko in die Heimat ihres Ehemanns durch, um der alten Schwiegermutter beizustehen. Sie ist rechtzeitig zur Stelle, als eine Überschwemmung das Haus der Schwiegermutter heimsucht. Als sie erfährt, dass am 10. Oktober 1945 die politischen Häftlinge entlassen werden, hält Hiroko nichts mehr: Sie muss nach Tokio, denn sie ist sich sicher, dass ihr Jukichi sie dort suchen wird. Aufgrund von Überschwemmungen und Kriegsschäden sind die Bahnstrecken kaum befahrbar. Doch irgendwie muss es Hiroko nach Tokio schaffen – immerhin war ihr Ehemann zwölf lange Jahr inhaftiert und nun ist das lang ersehnte Wiedersehen in Freiheit zum Greifen nahe.

„Fuchiso“ setzt ein, als es Jukichi endlich geschafft hat, Hiroko in Tokio aufzuspüren. Zuerst scheint es, als ob die beiden endlich ein harmonisches Eheleben führen könnten. Doch Hiroko ist über die lange und harte Zeit des Alleinlebens zu einer starken Frau geworden, was Jukichi missfällt. Er wirft ihr vor; wie die Protagonistin einer Erzählung Akutagawas zu wirken, wie eine eigensinnige und starrköpfige Witwe. Jukichi wiederum ist zart besaitet und verträgt Hirokos Scherze über seine Qualität als Ehemann nicht. Trotzdem können sich beide wieder zusammenraufen, während Jukichi sich für die Zeitschrift Akahata und den Aufbau der Kommunistischen Partei engagiert.

Yuriko Miyamoto gibt mit ihren Erzählungen einen intensiven, höchst interessanten und manchmal schockierenden Einblick in das Leben der politischen Gefangenen und deren Angehörigen während der Gültigkeit des berüchtigten Gesetzes zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens, das Verhaftungen Andersdenkender legitimierte. Yuriko Miyamoto hatte die unmenschlichen Haftbedingungen am eigenen Leib erlebt und einen lebensgefährlichen Hitzschlag erlitten, dessen Folgen ihre Gesundheit fortan beeinträchtigten. Dennoch sprechen aus ihren Erzählungen die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Jukichi und eine enorme Standhaftigkeit:

„Wenn jemand in den Krieg geschickt wird und über seinen Verstümmelungen sogar das Vertrauen zur Liebe verliert, so ist das schlimmer, als in kleine Stücke zerschnitten zu werden. Standhaft sein! Tapfer sein!“ (S. 125 f.)
Bibliographische Angaben:
Miyamoto, Yuriko: „Die Banshu-Ebene“, Aufbau, Berlin 1960

Samstag, 8. September 2012

Yuriko Miyamoto

Yuriko Miyamoto erblickte 1899 als Tochter eines in Cambridge ausgebildeten Architekten und Professors für Architektur als Yuriko Chujo das Licht der Welt. Bereits als Jugendliche erlebte sie die soziale Ungerechtigkeit auf dem Landsitz des Großvaters, auf dem sie viele Sommer verbrachte und die elende Armut der kleinen Pächter gewahr wurde. Im Alter von 16 Jahren schrieb sie eine anrührende Geschichte über ihre Erfahrungen und wurde als viel versprechende Nachwuchsautorin gehandelt. 1918 reiste sie zusammen mit ihrem Vater nach New York, wo sie ihren späteren Ehemann Shigeru Araki kennen lernte. Obwohl ihre Familie gegen diese Ehe war, heiratete Yuriko den 15 Jahre älteren Mann. 1924 wurde die Ehe geschieden, unter anderem, da sich Yuriko in ihrer Entwicklung eingeengt fühlte. Ihre Erfahrungen schrieb sie im Roman „Nobuko“ nieder.

Zusammen mit Yoshiko Yuasa bereiste sie 1927 die Sowjetunion und erlebte dort die Aufbruchsstimmung im Sozialismus. 1929 reiste sie nach Europa, wo sie Zeugin der ersten faschistischen Entwicklungen wurde.

Zurück in Japan wurde Yuriko Miyamoto Mitglied des proletarischen Schriftstellerverbands und Leiterin der Zeitschrift „Die arbeitende Frau“. 1931 wurde sie Mitglied der verbotenen Kommunistischen Partei Japans. 1932 heiratete sie den Literaturkritiker und KPler Kenji Miyamoto. Im selben Jahr wurde sie zum ersten Mal verhaftet. 1933 wurde ihr Ehemann inhaftiert und später zu lebenslanger Haft verurteilt. Dank der Amnestie für alle politischen Gefangenen nach Ende des zweiten Weltkriegs wurde Kenji Miyamato im Oktober 1945 nach zwölfjährigem Gefängnisaufenthalt entlassen. Auch Yuriko wurde wiederholt inhaftiert und verlebte insgesamt zwei Jahr im Gefängnis. Zudem erhielt sie Schreibverbot. Erst nach Kriegsende konnte die Autorin wieder schöpferisch tätig werden und veröffentlichte autobiographisch gefärbte Erzählungen und Romane.

Bereits 1951 starb Yuriko Miyamoto an einer Blutvergiftung. Postum wurde ihr die Friedensmedaille der Weltfriedensbewegung verliehen.

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Ins Deutsche übersetzte Erzählungen und hier rezensiert:

Freitag, 7. September 2012

„Der 15. März 1928“ von Takiji Kobayashi

Der 15. März 1928 war ein düsterer Tag für die japanischen Sozialisten und Kommunisten. In einer Verhaftungswelle wurden 1.652 Personen inhaftiert, die unter Verdacht standen, der verbotenen Kommunistischen Partei Japans anzugehören oder mit ihr zu sympathisieren. Ca. 500 der Inhaftierten wurden schließlich auch strafrechtlich belangt. Im Zuge dieser anti-kommunistischen Aktion wurden auch weitere linke Parteien und Organisationen verboten.

Takiji Kobayashi hat mit seiner Erzählung „Der 15. März 1928“ diesem Ereignis ein Zeitzeugnis gesetzt. Er beschreibt aus dem Blickwinkel verschiedener Gefangener die Geschehnisse dieses und die der folgenden Märztage in der Stadt Otaru: Ryukitji hat aufgrund vorhergehender Verhaftungen seine Anstellung als Lehrer verloren. Als er von der Polizei am Morgen des 15. März aus dem Schlaf gerissen und verhaftet wird, sind Frau und Kind versteinert vor Schreck.

Die Gewerkschaftler Ssusumoto, Ssakanishi, Ssaito, Shibata, Ishida und Watari haben für den 15. März eine Protestkundgebung geplant und übernachten im Gewerkschaftsbüro. Doch viel Schlaf ist ihnen nicht vergönnt – sie werden von der Polizei wach geprügelt und abgeführt. Den Sekretär der Gewerkschaft, Kudo, erwischt es wie Ryukitji zu Hause.

Ssata, der sich seiner Mutter zuliebe von den Linken distanziert hatte, wird erst nach dem 15. März inhaftiert. Während die zurückbleibenden Frauen, die Ehefrauen und Mütter, plötzlich auf sich allein gestellt sind – schließlich fehlen die Einnahmen des Mannes – , werden einige der Inhaftierten brutalst von der Polizei gefoltert. Zwar ergeht sich der Autor in einschwörenden Äußerungen wie

„in ihnen allen steigt ein Empfinden auf, ein Ton, eine Farbe, eine Richtung, das Gefühl, das sie nie in den Stunden der Gefahr verlässt: Solidarität. Jene Solidarität, die das Proletariat zu einer Front zusammenschweißt.“

differenziert jedoch beim Feindbild: Die Polizei wird nicht als grundlegend schlecht erachtet. Zwar tummeln sich unter den Beamten sadistische Folterknechte, aber auch menschliche Züge werden illustriert: Polizisten, die den Gefangenen anbieten, den wartenden Ehefrauen Nachrichten zu überbringen und solche, die sich selbst gegen unwürdige Arbeitsbedingungen wehren wollen.

Tragische Ironie des Schicksals ist, dass der Autor seinen gefolterten Charakteren die Worte „Tötet mich doch lieber!“ in den Mund legt und 1933 selbst unter Polizeifolter ums Leben kommt.

Noch ein kleiner Hinweis: Diese Rezension basiert auf der online verfügbaren Version von „Der 15. März 1928“ auf Marxist’s Internet Archive/Nemesis. Daher auch keine Seitenzahlen bei den Zitaten. Die deutsche Originalausgabe aus dem Jahr 1932 wurde 1938 von den Nationalsozialisten verboten und auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums" gesetzt.

Bibliographische Angaben:
Kobayashi, Takiji: „Der 15. März 1928“, Mopr, Berlin 1932

Mittwoch, 5. September 2012

„Romanze östlich des Sumidagawa“ von Kafu Nagai

Der Flaneur Kafu Nagai in seinem ureigensten Element: Er lässt seinen Protagonisten und Alter-Ego Tadasu Oe im Jahr 1936 durch das Tokioter Rotlichtviertel Tamanoi streifen. Tadasu ist freilich Autor und freilich auf Recherchetour für eine Erzählung, die von dem pensionierten Lehrer Taneda handeln und „Untergetaucht“ heißen soll. Denn Taneda will seinem lieblosen Familienleben entfliehen und bei der jungen Kellnerin Sumiko untertauchen. Zufällig lernt Tadasu während eines Spaziergangs durch Tamanoi die Prostituierte O-Yuki kennen. Sie erinnert ihn an die alten Edo-Zeiten und bald ist er Stammgast von O-Yuki. Sie wiederum ersehnt Tadasus Besuche ebenfalls.

Die Romanze des Romans steht jedoch nicht wirklich im Vordergrund. „Romanze östlich des Sumidagawa“ gleicht vielmehr einer Collage: Tadasu streift durch Tamanoi und beschreibt die Örtlichkeiten und die geschichtliche Entwicklung der Rotlichtviertel Tamanoi und Yoshiwara. Kafu Nagai setzt seinen verstorbenen Freunden ein Denkmal, indem er Anekdoten über sie erzählt. Er übt Kritik am aufkeimenden, übersteigerten Nationalismus. Er trauert den guten, alten Edo-Zeiten nach. Und er erzählt mit „Untergetaucht“ eine Geschichte in der Geschichte. Das macht „Romanze östlich des Sumidagawa“ zu einem sehr abwechslungsreichen Roman, der dadurch jedoch ohne stringente Handlung und ohne Höhepunkt auskommen muss. Da als Fortsetzungsroman in einer Zeitung erschienen, ist die Romanze sehr episodenhaft. Alles in allem ist „Romanze östlich des Sumidagawa“ für manch einen sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig. Doch das Abtauchen in die fremde Welt des Tokioter Rotlichtviertels, das nicht exotisiert wird, erscheint so zugänglich, als sei man zusammen mit Kafu Nagai auf Erkundungstour.

Dank des hervorragenden Nachworts von Barbara Yoshida-Krafft werden der Autor Kafu Nagai vorgestellt und sein Sinn für Ästhetik und sein Schreibstil intensiv dargestellt. So soll der Autor während des Jahres 1936 wohl tatsächlich eine Beziehung zu einer jungen Prostituierten unterhalten haben. Im Sinne des japanischen Ich-Romans, der authentische, vom Autor selbst erlebte Situationen schildert, wäre dies alles andere als abwegig.

Wer mehr über Kafu Nagai erfahren will, dem sei „Tagebuch. Das Jahr 1937“ ans Herz gelegt. Der passionierte Tagebuchschreiber streift natürlich wieder durch Tokio und hat gerade eben erst „Romanze östlich des Sumidagawa“ veröffentlicht.

Bibliographische Angaben:
Nagai, Kafu: „Romanze östlich des Sumidagawa“, Insel, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-458-16576-2

Montag, 3. September 2012

„Totenkopf und Kimono“ herausgegeben von Janwillem van de Wetering

„Totenkopf und Kimono“ ist nach „Drachen und tote Gesichter“ der zweite Teil der Reihe „Japanische Kriminalstories“, herausgegeben von Janwillem van de Wetering.

Der Band beginnt mit Ryunosuke Akutagawas „Tod eines Samurais“. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird der gewaltsame Tod eines Samurais beleuchtet – doch wer war nun wirklich der Mörder?

„Die rote Kammer“, ist der Platz, an dem sich Edogawa Rampos Charaktere treffen. Gelangweilte Männer wollen sich hier mit Horrorgeschichten die Zeit vertreiben. Tanaka beginnt an diesem Abend ein schauderliches Geständnis: Er habe schon 99 Menschen getötet, ohne dabei zur Rechenschaft gezogen werden zu können.

„Ein richtig kleiner Teufel“ terrorisiert seine Mitschüler in der Grundschule. Wer sich mit Ono anlegt, bekommt in Seiichi Morimuras Geschichte alsbald eine böse Retourkutsche. Tiere sterben, Menschen werden in Lebensgefahr gebracht, doch dem Bengel können seine Missetaten nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Makiko, die Mutter eines Mitschülers von Ono, wird am eigenen Leib erfahren, welche Gründe noch hinter Onos Verhalten stecken.

„Der Traumsoldat“ von Kobo Abe ist ein ausgehungerter Deserteur, der sich während der Kriegszeit einem eingeschneiten Dorf nähert. Die Einwohner haben Angst: Wie wird sich der bewaffnete Mann verhalten, wenn er im Dorf ankommt?

„Der Abschiedsbrief“ von Misae liest sich in den Augen ihrer Schwester Mitsue etwas seltsam. In Takao Tsuchiyas Geschichte wird Misaes Selbstmord dank Mitsue für den Leser in ein neues Licht gerückt.

Yoh Sano erzählt in „Maskenmord“ in Form von Dialogen von der Aufklärung ominöser Todesfälle, die alle mit einer täuschend echt aussehenden Affenmaske zu tun haben.

Haruto Kos Protagonist Ohizumi hat den „Schwarzmarkt Blues“. Ohizumi handelt während der Nachkriegsjahre illegal mit Dollar. Eigentlich sollte er sich langsam auf legale Geschäfte verlegen, wäre da nicht dieser eine letzte, große Deal. Wenn der mal nicht in die Hose geht…

In Shizuko Natsuki „Schrei von der Klippe“ wird Shinichi zu seinem ehemaligen Mitschüler Sugio nach Hause eingeladen. Sugio ist ein gescheiterter Künstler, der aufopferungsvoll von seiner Ehefrau Maiko umsorgt wird. Doch eines Abends ändert sich das ohnehin fragwürdige Familienidyll am Meer.

Taro Usami wird ausgerechnet in der Herberge zur Glückseligkeit vergiftet, während er mit seinen Kollegen feiert. Inspektor Kono findet in Eitaro Ishizawas Erzählung heraus, dass er „Der Mann, der zuviel wusste“ war.

Im Gegensatz zum ersten Band der Reihe tummeln sich in „Totenkopf und Kimono“ nun wirklich Kriminalstories. Einzig die gleichnamige Geschichte des Herausgebers, die den japanischen Erzählungen nachgestellt ist, wirkt wie ein Fremdkörper.

Bibliographische Angaben:
van de Wetering, Janwillem (Hrsg.): Totenkopf und Kimono, Rowohlt, Reinbek 1994, ISBN 3-499-43062-2

Sonntag, 2. September 2012

„Der älteste Sohn wird Mönch“ von Kiyohiro Miura

Aus Ryota Kimura wird Ryokai Tamaizumi, als der Mittelschüler als Mönch ordiniert wird. Bereits in der Grundschule hatte Ryota den Wunsch geäußert, Zen-Mönch werden zu wollen, nachdem er seinen Vater jeden Sonntag in den Tempel zum Meditieren begleitet hatte. Doch ist es nicht eher der unterschwellige Wunsch des Vaters, den nun der Sohn in die Tat umsetzt? Der Vater und Ich-Erzähler hatte sich als Student in den USA ordentlich ausgetobt und von Zen nicht gerade viel Ahnung. Zurück in Japan erwacht in ihm spirituelles Interesse und er besucht regelmäßig die Priesterin Gukai des örtlichen Tempels zur gemeinsamen Meditation.

Während Ryota heranwächst, wird er immer mehr zum aufmüpfigen Problemkind. Trotzdem äußert er weiterhin den Wunsch, Mönch zu werden und beteiligt sich an den sonntäglichen Meditationen. Weil es das Beste für den Sohn scheint, stimmen die Eltern einer Ordination zu.

Doch insbesondere Ryotas Mutter leidet unter dieser Entscheidung: Ryota wird von der Priesterin adoptiert; die Verbindung zur leiblichen Mutter wird gekappt. Dadurch werden auch die Probleme in der Ehe der Kimuras sichtbar. Denn die Mutter sieht ihr Leben seit der Heirat stagnieren und dem des Ehemannes untergeordnet.

Kiyohiro Miuras Kurzroman „Der älteste Sohn wird Mönch“ ist schnell gelesen, behandelt aber doch diverse Themen: Die Sinnsuche der Menschen in der modernen Gesellschaft; Kinder, die die nicht erfüllten Lebensträume der Eltern umsetzen; die Rolle der Ehefrau, die wenig Selbstverwirklichung zulässt; Eltern, die ihre Kinder loslassen müssen… Und wer sich für Zen interessiert, erhält noch eine kleine Einführung in diese buddhistische Lehre on top.

Bibliographische Angaben:
Miura, Kiyohiro: „Der älteste Sohne wird Mönch“, Theseus, Zürich/München 1990, ISBN 3-85936-042-6

Samstag, 1. September 2012

Kiyohiro Miura

Der Autor und Anglistik-Professor Kiyohiro Miura wurde 1930 auf Hokkaido geboren. Er begann mit seinem Anglistikstudium an der Universität von Tokio. 1952 ging Kiyohiro Miura zu Studienzwecken in die USA an; zunächst ans San Jose State College und im Anschluss an die Universität von Iowa. Er schrieb sich zunächst für Soziologie und amerikanische Geschichte ein; wechselte dann jedoch zur Poetik, da er selbst gerne Gedichte im Stil der französischen Symbolisten schrieb. 1978 verbrachte er ein Sabbatical im UK, wo er sich mit westlicher Spiritualität auseinandersetzte. Seinen Reiseerlebnissen widmete er eine Veröffentlichung. Neben Erzählungen, Kurzgeschichten und Romanen veröffentlichte er Reiseberichte, aber auch Schulbücher.

1988 erhielt er für „Der älteste Sohn wird Mönch" den Akutagawa-Literaturpreis.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert: