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Samstag, 15. April 2017

„Geständnisse“ von Kanae Minato

Wer die Schuld am Tod von Manami, der vierjährigen Tochter der Lehrerin Yuko Moriguchi, trägt, wird schon im ersten Kapitel von Kanae Minatos „Geständnisse“ aufgedeckt. Aus der Ich-Perspektive erzählt die trauernde Lehrerin am letzten Schultag vor ihrer versammelten Klasse, wie sie den beiden Schülern, die für den Mord, der ursprünglich für einen Unfall gehalten wurde, auf die Schliche kam. Sie hat sich eine Rache abseits einer Anzeige bei der Polizei ausgedacht und zählt zudem auf die Mitschüler, die beschließen, nichts nach außen dringen zu lassen und die Bestrafung der Täter selbst in die Hand zu nehmen. Yuko Moriguchi wird nach den Ferien nicht zurückkehren – sie hat ihre Kündigung eingereicht.

Die beiden Täter reagieren am ersten Schultag nach den Ferien ganz unterschiedlich: Shuya kommt in seine Klasse, als sei nichts gewesen. Naoki bleibt zu Hause und meldet sich immer wieder krank. Der neue Klassenlehrer Terada wird in eine Situation hineingeworfen, von der er sich keine Vorstellung machen kann. Denn die beiden Mörder werden jeweils auf ihre Weise von den Mitschülern abgestraft. Und Terada verhält sich dabei wie der Elefant im Porzellanladen.

Jedes der Kapitel ist aus einer anderen Perspektive geschildert. Nach dem ersten Kapitel, das der trauernden Mutter und Lehrerin gewidmet ist, folgen die Klassensprecherin, Naokis Schwester bzw. dessen Mutter, Naoki selbst, Shuya und einer weiteren Person. Auch wenn die Täter bereits im ersten Kapitel feststehen, erhält „Geständnisse“ seinen Reiz durch die vielen Perspektiven, die die wahren Motivationen der Charaktere aufdecken. Denn manches ist hintergründiger als auf den ersten Blick ersichtlich. Kanae Minato spricht in ihrem Roman zudem diverse gesellschaftliche Schieflagen an: vom Phänomen des Hikikomori, vom Mobbing an Schulen, von fehlgeleiteter Mutterliebe, von der Diskriminierung von HIV-Infizierten und natürlich Gewaltakten von Schülern.

Trotz alledem war mir „Geständnisse“ ein bisschen zu konstruiert und an manchen Stellen waren mir die Motivationen und Handlungen der Charaktere nicht wirklich plausibel bzw. zu überzeichnet. Aber sicherlich ist der Roman vom Aufbau und der moralischen Komponente durchaus mal eine interessante Abwechslung zu anderen Krimis.

Bibliographische Angaben:
Minato, Kanae: „Geständnisse“ (Übersetzung aus dem Englischen: Lohmann, Sabine), C.Bertelsmann, München 2017, ISBN 978-3-570-10290-9

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