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Donnerstag, 29. September 2016

„Lebensgeister“ von Banana Yoshimoto

Der neue Kurzroman „Lebensgeister“ von Banana Yoshimoto hat mich leider nicht sonderlich überzeugt. Auf knapp 160 Seiten geht aus um typische Yoshimoto-Themen, die eigentlich das Zeug für ein interessantes Werk haben: Verlust durch Tod, die große Liebe des Lebens, Freundschaften und Grenzgänge.

Die Protagonistin Sayoko und ihr Freund Yoichi hatten einen schweren Autounfall, bei dem Yoichi ums Leben kommt. Sayoko hatte eine Nahtoderfahrung: In der Zwischenwelt trifft sie auf ihren verstorbenen Hund und ihren Großvater, den sie besonders ins Herz geschlossen hatte. Der Großvater schickt sie zurück ins Reich der Lebenden; ihre Zeit dort ist noch nicht abgelaufen.

Sayoko tut sich anfangs natürlich schwer, zurück in einen Alltag zu finden. Ihre körperlichen Verletzungen müssen erst ausheilen; ganz zu schweigen von den seelischen. Die Hoffnung, von Yoichi schwanger zu sein, zerschlägt sich leider jäh, als sie ihre Periode bekommt. Sie zieht zurück zu ihren Eltern, die aber auch nicht so recht wissen, wie sie ihrer Tochter weiterhelfen können. Denn Sayoko hat sich verändert: Seit der Nahtoderfahrung kann sie Geister sehen, was sie jedoch nicht weiter stört, sondern als natürliche Folge ihres Grenzgangs zwischen den Welten empfindet.

Interessant wird der Kurzroman, als zwei Männer auftauchen, die ebenfalls ein Gespür für das Übersinnliche haben. Da wäre einerseits der schwule Ataru, der seine geliebte Mutter plötzlich verloren hat. Die Mutter erscheint regelmäßig als Geist in einer alten Villa, in der sie früher gewohnt hatte. Für Sayoko wird das Zimmer von Atarus Mutter zur neuen Heimat - und Ataru wird gewissermaßen zu einer Art WG-Mitbewohner.

Und dann ist da noch der Barbesitzer Shingaki, in dessen Kneipe Sayoko Stammgast ist. Der aus Okinawa stammende Shingaki sieht ebenfalls Geister und empfiehlt Sayoko zum Unfallort zurückzukehren, um dort ihren Nabel (sprich: ihre Seele) aufzulesen, den sie dort verloren hat.

An sich sind die Zutaten für einen ordentlichen Banana Yoshimoto-Roman in „Lebensgeister“ enthalten. Doch leider wirkt er auf mich ein bisschen halbgar und schal. Das mag daran liegen, dass ein stärkerer Fokus auf Sayokos Beziehungen zu Ataru und Shingaki der Handlung sicherlich gut getan hätte. Stattdessen werden Begegnungen mit Personen illustriert, die eigentlich nicht viel zum Plot beitragen. Dabei sind ausgearbeitete Beziehungskonstellationen, die zur „Heilung“ einer Person führen, doch gerade die Spezialität der Autorin. Statt dessen springt die Handlung von Tokio nach Kioto, von der einen Bar zur anderen, von einer Person zur nächsten. So fängt der Roman den Leser leider bei Weitem nicht so ein, wie andere Banana Yoshimoto-Werke.

Bibliographische Angaben:
Yoshimoto, Banana: „Lebensgeister“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Eggenberg, Thomas), Diogenes, Zürich 2016, ISBN 978-3-257-30042-0

Dienstag, 27. September 2016

„Winterherz – ein Mädchenleben in Japan“ von Ayako Miura

Ayako Miura setzt mit „Winterherz – ein Mädchenleben in Japan“ auf einen Plot, der in abgewandelter Form an ihre Autobiographie „Auf einem andern Weg“ erinnert:

Da ist ein junges Mädchen namens Kiyomi, das unter unschönen Bedingungen aufwächst. Schon seit ihrer Kindheit wird sie regelmäßig von ihrer alleinerziehenden Mutter für einige Stunden vor die Tür gesetzt. Die Mutter prostituiert sich derweil in den eigenen vier Wänden; wird später die Geliebte eines Geschäftsmannes. Kiyomi erzählt die Mutter, der Vater sei schon vor langer Zeit gestorben, so dass die Tochter ihn nie kennenlernen konnte. Eines Tages vergeht sich gar der Geliebte der Mutter an Kiyomi. Bald darauf trennt sich dieser von der Mutter.

Durch den wenige Jahre älteren Freund Akira lernt Kiyomi nicht nur die Welt er Literatur kennen. Sie erhält von ihm eine Bibel, mit der sie sich nach einem großen Streit mit Akira verstärkt auseinandersetzt. Die oft gehänselte Kiyomi befasst sich bald mit Themen wie Feindes- und Elternliebe – beides Dinge, die ihr aus verständlichen Gründen schwer fallen.

„Winterherz – ein Mädchenleben in Japan“ ist als schriftliches Glaubensbekenntnis an Kiyomis Pater gerichtet, da sie sich mit dem Gedanken trägt, das Sakrament der Taufe zu empfangen. In ihren Aufzeichnungen schwingen viele Zweifel mit, ob sie aufgrund ihrer sündigen Gedanken wie Rachsucht und Verachtung in der christlichen Kirche richtig aufgehoben ist.

Der Roman ist sicherlich ein solides Buch über eine schwere Kindheit, schwierige familiäre Verhältnisse und eine Läuterung im Zeichen des Christentums. Zudem wird das Ganze garniert mit einer romantischen Liebesgeschichte. Allerdings lehnt sich die Story so sehr an Ayako Miuras Autobiographie „Auf einem andern Weg“ an, dass das Ende vorhersehbar ist und „Winterherz – ein Mädchenleben in Japan“ wie eine aufgewärmte Adaption wirkt. Irgendwie schade, denn aus den Zutaten hätte sich sicherlich mehr machen lassen können...

Bibliographische Angaben:
Miura, Ayako: „Winterherz – ein Mädchenleben in Japan“ (Übersetzung aus dem Englischen (?): Horn, Friederike), Hänssler, Neuhausen-Stuttgart 1992, ISBN 3-7751-1844-6

Montag, 26. September 2016

„Ein hinterlistiger Planet“ von Shinichi Hoshi

Ein verurteilter Mörder wird auf dem Mars ausgesetzt. Sein einziger Reiseproviant besteht aus einer silbernen Kugel, die per Knopfdruck Wasser zur Verfügung stellt. Doch das Gerät hat eine besonders heimtückische Krux: Per Zufallsgenerator wird entweder das Wasser ausgegeben oder ein Explosionsmechanismus aktiviert. Jeder Knopfdruck kann so den Tod des Verbrechers verursachen.

Der Mars fungiert als Strafkolonie für verurteilte Verbrecher, die in automatisierten Schnellverfahren verurteilt werden. Es finden sich auf dem Mars diverse Plätze, an denen die silbernen Versorgungskugeln ihre Besitzer in den Tod gerissen haben.

Der Protagonist trifft bei seinem ziellosen Umherstreifen auf diverse andere Delinquenten, die sein elendes Schicksal teilen. Die Angst vor dem Tod ist ebenso wie die haarfeine Grenze zum Wahnsinn allgegenwärtig, während die Verurteilten ihr Dasein auf dem Mars fristen.

Doch schließlich kommt dem Verurteilten schlagartig die Erkenntnis:

„Dieses Leben hier war genauso wie auf der Erde. Der Tod, von dem man nicht wissen konnte, wann er auftauchte. Während man jeden Tag selbst Todesursachen schuf, zog man jenen einen Augenblick immer näher heran. Die Silberkugel auf dem Mars war klein, und deshalb war sie beunruhigend. Die der Erde war riesengroß, und niemand machte sich wegen ihr Sorgen. Das war der einzige Unterschied.“ (S. 148)

Die Erzählung „Urteilsvollstreckung“ ist der längste Text in Shinichi Hoshis „Ein hinterlistiger Planet“. Zumeist finden sich Kurzgeschichten von nur wenigen Seiten Umfang in dem Band; so z.B. auch die frühen Werke „Sweet Bonny“ und „Hallo, komm raus!“. Manche der Geschichten spielen auf der Erde, manche im Weltraum und manche auf fremden Planeten. Da sind Familienväter, Erfinder, Geschäftsmänner, Pioniere, Verschwörer und Roboter, die als Protagonisten auftreten. Zumeist erhalten sie Namen wie R (= Reicher), F (= Forscher oder Fachidiot) oder N (= Normalo).

Die Handlungen nehmen meist humoreske Züge an, während die Botschaft jedoch oftmals sozialkritisch ist. Shinichi Hoshi thematisiert diverse Probleme, die auch heute noch aktuell sind: Umweltverschmutzung, Wettrüsten, Gier, Wahn, Überwachungsstaat, Bürokratie etc.

Auch wenn einige wenige Kurzgeschichten heutzutage ein bisschen angestaubt wirken, tut das dem Lesevergnügen keinen Abbruch.

Shinichi Hoshi weiß sehr plastisch zu erzählen, auch wenn (oder gerade weil) die Sprache sehr einfach gehalten ist und manchmal eher an Jugendliteratur erinnert.

Bibliographische Angaben:
Hoshi, Shinichi: „Ein hinterlistiger Planet“ (Übersetzung aus dem Japanischen bzw. Englischen: Inaba, Keiko Miriam/Zidek, Hertha & Morgental, Michael), Heyne, München 1982, ISBN 3-453-30815-8

Sonntag, 25. September 2016

Shinichi Hoshi

Shinichi Hoshi gilt als einer der Pioniere der japanischen Science Fiction Literatur. Er wurde 1926 in Tokio geboren und wuchs bei seinen Großeltern auf. Der Großvater war ein bekannter Anatom und Anthropologe, während seine Großmutter (und Schwester von Ogai Mori) ein Faible für Gedichte hatte. Shinichi Hoshis Vater wiederum hatte an der Universität von Columbia studiert und leitete ein Pharma-Unternehmen. Vor diesem Hintergrund wuchs der Autor in einem Umfeld auf, das sowohl international als auch wissenschaftlich als auch kulturell geprägt war.

Zunächst studierte Shinichi Hoshi Biochemie an der Universität von Tokio, um später das Unternehmen seines Vaters zu übernehmen. Doch nach dem Tod des Vaters spitzte sich die schlechte wirtschaftliche Situation des Unternehmens zu und Shinichi Hoshi war gezwungen, die Firma zu verkaufen.

1957 veröffentlichte er schließlich seine erste SF-Kurzgeschichte, der über 1000 weitere folgen sollten. Zudem schrieb er Kinderliteratur, Krimis, die Biographie seines Großvaters, Drehbücher und Essays. Shinichi Hoshis hauptsächlicher Verleger Shinchosha gibt an, mehr als 30 Mio. Taschenbücher des Autors verkauft zu haben. Seine Geschichten wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Sein letztes Lebensjahr verbrachte Shinichi Hoshi im Krankenhaus. Ende des Jahres 1997 starb der Autor in Tokio.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Kurzgeschichten/Erzählungen und hier rezensiert:

Samstag, 24. September 2016

„Der Bergmann“ von Soseki Natsume

Vor 100 Jahren starb Soseki – anlässlich dieses hundertsten Todestages veröffentlicht der Bebra Verlag den Roman „Der Bergmann“. Auch wenn der Ich-Erzähler im Werk an diversen Stellen immer wieder darauf hinweist, dass sein literarischer Erguss gar kein Roman sein kann, so kann dennoch vermutet werden, dass dies eher als eine kritische Spitze gegen den in der Meiji-Zeit idealisierten Ich-Roman zu verstehen ist.

Auch der Titel führt ein bisschen in die Irre. Denn in dem Roman geht es im Kern keinesfalls um das harte Leben eines Bergmanns. Vielmehr ist da ein 19-jähriges, verwöhntes Bürschlein aus Tokio, das aufgrund von unglückseligen Liebesbeziehungen von zu Hause ausbüchst. Eigentlich will er Selbstmord begehen, aber im entscheidenden Moment macht er doch immer wieder einen Rückzieher. Daher will er sich zumindest an einen möglichst abgeschiedenen Ort begeben, um im Dunkeln dahin zu darben.

Doch kaum ein paar Stündchen unterwegs, trifft er auf Chozo, der als Schlepper fürs Bergwerk fungiert. Im Ich-Erzähler findet Chozo ein williges Opfer für seinen Anheuerungsversuch: Wo, wenn nicht im Bergwerk, ist der Tod so nahe und das Dunkel so undurchdringlich? Ohne viel nachzudenken willigt der Ich-Erzähler ein – Chozo verfrachtet ihn schließlich mit zwei weiteren angeworbenen jungen Männern direkt ins Bergwerk.

Für den Ich-Erzähler brechen harte Tage an: Als verwöhntes Söhnchen aus Tokio zieht er den Spott der abgehärteten Bergmänner auf sich. Die Bettwanzen verhindern das gemütliche Einschlafen. Zu Essen gibt es nur billigen Reis, der wie Mörtel schmeckt. Und dann ist da natürlich auch noch das Bergwerk, in dem unter widrigsten Bedingungen härteste Arbeit verrichtet werden muss.

Einerseits fließen diverse psychologische Betrachtungen in den Roman mit ein, wie z.B. ob es einen festen Charakter einer Person gibt. Andererseits entbehren die Schilderungen auch nicht einer gewissen Komik, die dem Leser ein Grinsen ins Gesicht zaubern.

Der Übersetzer Franz Hintereder-Emde bettet in seinem Nachwort den Roman in den historischen Kontext ein (alternativ für Interessierte gibt es hier einen Text des Übersetzers als PDF): Etwa ein gutes, halbes Jahr vor der Veröffentlichung des Fortsetzungsromans in der Zeitung Asahi fanden der Kupfermine von Ashio Unruhen statt. Die Arbeiter protestierten gegen die Lohn- und Arbeitsbedingungen. Ein Zeitzeuge suchte Soseki auf, um Informationen für eine Geschichte zu den Unruhen und dem Leben als Bergmann zu verkaufen.

Eigentlich war für die Asahi der Roman „Frühling“ von Toson Shimazaki vorgesehen gewesen. Doch der Autor konnte nicht pünktlich liefern. Bei der Asahi musste die Literaturseite daher schleunigst anderweitig gefüllt werden. Soseki, der damals erst kurz bei der Asahi arbeitete, sprang ein und kreierte 96 Kapitel(chen) von „Der Bergmann“.

Sozialkritik klingt in dem Roman durchaus an, doch scheint das Werk für Soseki vor allem eine stilistische Spielwiese gewesen zu sein. Auch wenn aus der Ich-Perspektive geschrieben wird, so ist „Der Bergmann“ eben kein Ich-Roman im typischen Sinne.

Die humoristischen Betrachtungen, die psychologischen Reflexionen, die Coming-of-Age-Story und die Beschreibungen des Lebens der Bergmänner ergeben einen äußerst facettenreichen Roman, der leider viel zu schnell ausgelesen ist.

Bibliographische Angaben:
Natsume, Soseki: „Der Bergmann“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Franz Hintereder-Emde), Bebra, Berlin 2016, ISBN 978-3-86124-920-7

Freitag, 27. Mai 2016

„Ich habe ihn getötet“ von Keigo Higashino

Inspektor Kaga ermittelt mal wieder – Keigo Higashino-Leser kennen den Kommissar bereits aus dem Kriminalroman „Böse Absichten“. Auf der Hochzeit des gerissenen Autors und Filmemachers Makoto und der aufstrebenden Dichterin Miwako bricht der künftige Ehemann auf dem Weg zum Altar zusammen und verstirbt noch in der Kapelle.

Der Krimi wird aus drei Perspektiven erzählt und setzt zwei Tage vor der geplanten Hochzeit ein: Da ist einerseits Makotos Bruder Takahiro, der bis vor kurzem noch mit Miwako zusammen im Haus der verstorbenen Eltern gewohnt hat. Der Tod von Vater und Mutter liegt schon lange zurück, Takahiro und Miwako sind lange Zeit getrennt voneinander aufgewachsen und erst als junge Erwachsene wieder zusammen gezogen. Außenstehende verwundert die Beziehung der beiden zueinander – sie wirken nicht unbedingt wie ein Bruder-Schwester-Gespann...

Die zweite Erzählperspektive wird von Naoyuki Suruga übernommen. Suruga ist der Manager des Verstorbenen und kennt daher selbst Makotos dunkelste Geheimnisse. Oftmals schon hat Suruga bereinigen müssen, was der rücksichtslose Makoto angerichtet hat. Auch kurz vor der Hochzeit war Suruga daran beteiligt, ein tragisches Schicksal zu vertuschen, an dem Makoto die Schuld trägt.

Und schließlich erzählt Makotos Lektorin Kaori Yukizasa ihre Sicht der Geschehnisse. Kaori ist selbst bereits einmal Makotos Reizen erlegen und muss nun nicht nur zusehen, wie Makoto eine andere heiratet. Miwako ist zudem auch noch Kaoris Augapfel, den Makoto sicherlich nicht als Ehefrau verdient hat.

Inspektor Kaga lässt die drei über die Zeit vor dem Mord berichten. Dass alle drei Zugang zu tödlichem Gift hatten, hat der Ermittler bald herausgefunden. So sind die Hauptverdächtigen bald als der Bruder der Braut, der Manager und die Lektorin auszumachen. Doch wer hat Makoto nun wirklich auf dem Gewissen?

Außergewöhnlich an Keigo Higashinos „Ich habe ihn getötet“ ist, dass der Mörder dem Leser gegen Ende nicht auf dem Silbertablett serviert wird. Daher gilt es, den Roman aufmerksam zu lesen und auch auf Details zu achten. Immerhin werden in einem verschlossenen Bereich, dessen Seiten man erst einmal auftrennen muss, doch noch ein paar Hinweise gegeben, die dem Leser Aufschluss über den wahren Mörder des Makoto Hodaka bringen.

„Ich habe ihn getötet“ ist nicht gerade der spannendste Krimi. Er zeichnet sich vielmehr durch die Psychogramme aus, die der Autor um seine Protagonisten strickt. Wer Spaß daran hat, dem Übeltäter selbst auf die Spur zu kommen, der sollte sich „Ich habe ihn getötet“ definitiv einmal vornehmen.

Bibliographische Angaben:
Higashino, Keigo: „Ich habe ihn getötet“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Klett-Cotta, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-608-98027-1

Donnerstag, 26. Mai 2016

„Vorsicht, Japaner auf Reisen!“ von Keiko Wilhelm

In „Vorsicht, Japaner auf Reisen!“ hat die Reiseleiterin Keiko Wilhelm die kuriosesten Begebenheiten aus zehn Jahren ihrer Tätigkeit zusammengetragen. Äußerst amüsant erzählt sie z.B. von den „Hyänen im Kräutermantel“, namentlich Frau Arai und Frau Sakamoto, die sich für ihren Europatrip wohl auf die Fahnen geschrieben haben, möglichst unausstehlich zu sein. Bereits im Flugzeug zwingen sie die Reiseleiterin Keiko auf die Knie – sie soll sich dafür entschuldigen, dass sie ein falsches Essen von der Stewardess erhalten haben. So werden insbesondere die Restaurantbesuche in Europa zu einem Spießrutenlauf.

Ganz andere Probleme dahingegen bereitet Frau Ando. Sie taucht am Flughafen Narita komplett ohne Gepäck auf. Für die 13-tägige Reise im September nach Europa ist sie nur mit einer Handtasche ausgerüstet. An eine Jacke hat sie nicht gedacht, dafür trägt sie besonders hohe Schuhe, die nicht für eine Sightseeing-Tour taugen. Als erfahrener Reiseleiterin schwant Keiko bereits am Flughafen: Frau Ando wird noch für mächtigen Ärger sorgen. Kaum in Rom angekommen, bewahrheiten sich Keikos schlimmste Befürchtungen…

Besonders gefordert wird Keiko in „Hilfe, der Großvater ist los“. Die Familie Hasegawa beschließt nämlich, den dementen Großvater mit einer Reisegruppe auf Spanienreise zu schicken, um selbst mal einige Tage verschnaufen zu können. Da der Gesundheitszustand von Hasegawa senior leider erst nach Abflug auffällig wird und alle Rückflüge ausgebucht sind, muss Keiko in den sauren Apfel beißen und den Großvater unter verschärfte Überwachung stellen.

Zehn Geschichten sind in „Vorsicht, Japaner auf Reisen!“ versammelt, die humorvoll Reisekatastrophen unterschiedlichen Ausmaßes zum Besten geben. Im Gegensatz zu einer Amazon-Bewertung fand ich die Erzählungen sogar besonders gut redigiert. Bis auf minimale Fehlerchen, die den Lesefluss so gut wie gar nicht beeinflusst haben, ist mir nichts aufgefallen. Aber vielleicht wurde das Book on Demand zwischenzeitlich auch nochmals bearbeitet.

Mir hat die Lektüre von Keiko Wilhelms „Vorsicht, Japaner auf Reisen!“ jedenfalls sehr viel Spaß bereitet. Wer sich jetzt noch mit leichter Bücherkost für den Urlaub eindecken möchte, dem seien die Erzählungen besonders ans Herz gelegt. Insbesondere da Keikos Reisen zu Zielen führen, die man selbst vielleicht schon einmal besucht hat, entstehen beim Lesen besonders plastische Bilder der Gegebenheiten.

Bibliographische Angaben:
Wilhelm, Keiko: „Vorsicht, Japaner auf Reisen!“, Books on Demand, Norderstedt 2015, ISBN 978-3-7386-3430-3

Montag, 21. März 2016

Keiko Wilhelm

Leider lässt sich über Keiko Wilhelm nur in Erfahrung bringen, dass sie in Tokio geboren wurde, 12 Jahre lang als Reiseleiterin für einen japanischen Reiseveranstalter tätig war und im Jahr 2004 nach Deutschland zog.

Ich kann nur mutmaßen, dass die Autorin ggfs. unter einem Pseudonym publiziert. Schließlich zieht sie manche Teilnehmer ihrer Reisegruppen in „Vorsicht, Japaner auf Reisen!“ gehörig durch den Kakao.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Erzählungen und hier rezensiert:

Sonntag, 20. März 2016

„Kirschblüten und rote Bohnen“ von Durian Sukegawa

Sentaro führt den Imbiss Doraharu, wo er lustlos Dorayaki-Pfannkuchen, die mit süßer roter Bohnenpaste gefüllt sind, verkauft. Das Rezept für die Pfannkuchen hat er von dem verstorbenen Eigentümer des Imbisses übernommen; die Paste kommt fertig aus dem Kanister.

Eines Tages steht eine alte Dame sehnsüchtig vor dem Kiosk und bewirbt sich als Aushilfe. Doch Sentaro weist sie ab – sie würde mit ihren verkrüppelten Händen die Kunden abstoßen und mit ihrer Konstitution ist es sowieso nicht weit her. Bald darauf überreicht ihm die alte Dame namens Tokue selbstgemachte Bohnenpaste. Zunächst möchte Sentaro die Paste noch nicht mal probieren und wirft sie in den Mülleimer. Doch schließlich siegt die Neugier: Die Paste zergeht sogar Sentaro auf der Zunge, obwohl er Süßigkeiten eigentlich gar nicht mag.

Und so stellt er Tokue doch ein; sie soll ihm aber nur frühmorgens dabei helfen, die Paste zu kochen und gehen, bevor die ersten Kunden eintreffen. Doch es kommt, wie es kommen muss: Tokue bleibt doch hin und wieder länger. Insbesondere die Gespräche mit den Schulmädchen, die sich gerne ein Dorayaki holen, genießt die alte Dame.

Sentaro hat nicht die leiseste Ahnung, warum Tokues Hände so verkrüppelt sind. Doch Passanten und Kunden vermuten richtig: Tokue hatte einst die Lepra. Und obwohl sich niemand mehr an ihr anstecken kann, bleiben bald die Kunden aus.

Durian Sukegawa thematisiert in „Kirschblüten und rote Bohnen“ ein grausames Stück japanischer Medizingeschichte. 1931 wurde per Gesetz beschlossen, Lepra-Kranke per Zwang legenslang zu internieren und die Männer zu sterilisieren. Die Kranken wurden aus den offiziellen Familienregistern gestrichen als ob sie nie existiert hätten. Im Lager erhielten sie dann einen neuen Phantasienamen. Erst im Jahr 1996 wurde das Gesetz aufgehoben – zu einer Zeit, als die Medizin schon längst adäquate Behandlungsmethoden kannte. Doch wie soll sich ein alter Mensch, der jahrzehntelang hinter verschlossenen Mauern gelebt hat, in der modernen Welt plötzlich zu Recht finden?

Auch wenn das Thema dazu neigen könnte, in sentimentalen Kitsch auszuarten, so hätte ich mir im Gegenteil sogar noch ein bisschen mehr Gefühl von „Kirschblüten und rote Bohnen“ gewünscht. Denn die Figuren hätten es verdient gehabt, noch ein bisschen eingehender beleuchtet zu werden. Dann wären sie dem Leser auch ein bisschen mehr ans Herz gewachsen.

Die Botschaft von Tokues Schicksal an den Leser (und natürlich an Sentaro) ist, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen; sich an allen Facetten des Lebens zu freuen und vom Schwarz-Weiß-Denken Abstand zu halten. Insofern kommt gegen Ende des Buches doch noch ein bisschen Kitsch auf, der aber durchaus Balsam für die Seele ist.

Bibliographische Angaben:
Sukegawa, Durian: „Kirschblüten und rote Bohnen“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Dumont, Köln 2016, ISBN 978-3-8321-9812-1

Samstag, 19. März 2016

Durian Sukegawa

Durian Sukegawa
(Creative Commons-Lizenz;
Photocredit:
Andriy Makukha)
Leider lässt sich über Durian Sukegawa nicht viel ausfindig machen – es sei denn, man spricht Japanisch. Daher sei auch diese Biographie bitte mit Vorsicht zu genießen: Die Google-Übersetzung der japanischen Wikipedia-Website ist alles andere als perfekt.

Durian Sukegawa wurde als Tetsuya Akigawa im Jahr 1962 geboren. Er wuchs in Kobe auf und studierte schließlich an der Waseda Philosophie. Nach seinem Abschluss verdingte er sich als Autor für Zeitschriften und fürs Fernsehen.

Eine Zeitlang verbrachte er mit seiner Band in New York. Auch als Fernseh- und Radiomoderator und als clownesker Theaterschauspieler ist Durian Sukegawa bekannt.

Sein Roman „Kirschblüten und rote Bohnen“ wurde 2015 verfilmt und auf den Filmfestspielen von Cannes gezeigt.

Interessante Links:
  • Homepage von Durian Sukegawa (leider nur auf Japanisch)

Ins Deutsche übersetze Romane und hier rezensiert:

    Montag, 29. Februar 2016

    „Tochter der Samurai“ von Etsu Sugimoto & Florence Wilson

    „Tochter der Samurai“ wirkt zunächst wie die Autobiographie der Samurai-Tochter Etsu Sugimoto: Ihr Vater steht in der Auseinandersetzung zwischen shogunatstreuen Truppen und der kaiserlichen Armee in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts auf der falschen Seite. Er wird gefangen genommen, seine Ehefrau fackelt das heimische Schloss ab und versteckt die gemeinsamen Kinder. Der Vater wird schließlich begnadigt und ein neues, viel schlichteres Heim wird errichtet.

    In der Meiji-Zeit wächst hier Etsu, das dritte Kind und die zweite Tochter, auf und lernt den alten Glanz der Samurai nur noch aus Erzählungen kennen. Doch Etsus Erziehung ist noch ganz der alten Tradition gewidmet: Sie darf nie weinen, soll ihre Gefühle nie offenbaren und ein ruhiges, gesittetes Mädchen sein.

    Als der Vater stirbt wird ihr älterer Bruder das neue Familienoberhaupt. Der Bruder hat eine geraume Zeit in den USA verbracht und bringt daher auch modernere Ideen mit. Trotzdem wird Etsu mit einem Mann verlobt, den sie nicht kennt, der noch nicht einmal in Japan lebt. Es handelt sich dabei um den Händler Matsuo, der in den USA wohnt. Um Etsu auf ihr Leben in der Fremde vorzubereiten, schickt sie ihr Bruder auf eine Missionsschule in Tokio, wo sie mit dem modernen Leben vertrauter wird.

    Schließlich wird sie zur Hochzeit in die USA geschickt, wo sie sich mitten in einer völlig anderen Kultur wiederfindet, in der die japanischen Rollenbilder und Werte keine Gültigkeit haben.

    Auf den ersten Blick erscheint Etsu wie ein verzogenes Prinzesschen, das einem nicht so recht sympathisch wird. Da beklagt man sich in der Familie ob des sozialen Abstiegs, kann sich aber dennoch nach wie vor genügend Dienerschaft leisten. Da werden die Zeiten betrauert, als sich das gemeine Volk vor den Samurai verneigen musste und es wird gar nicht hinterfragt, dass der Reichtum des Adels nur auf Kosten der arbeitenden und Not leidenden Bevölkerung erreicht werden konnte. Da wird auf die Sitten dieser armen, bildungsfernen Bevölkerungsschichten herabgesehen, für die es oft nur ums nackte Überleben ging. Etsu selbst muss nie arbeiten oder Hunger leiden. Sie kann sich mit wechselnder Dienerschaft jeweils äußerst bequem in ihrem Leben einrichten. Als Tochter der Samurai scheint sie sich durchaus als jemand „Besseres“ zu fühlen.

    Daher hatte ich die ersten Seiten sogar einen gewissen Groll gegen Etsu und die Autorin Etsu Sugimoto. Jedoch hat es mich im Nachhinein doch mit dem Buch etwas versöhnt, als ich mehr über die Entstehungsgeschichte von „Tochter der Samurai“ in der Arbeit von Hiroko Kugisima gelesen habe: Denn die vermeintliche Autobiographie ist gar keine. Etsu Sugimoto schrieb zusammen mit Florence Wilson einen Roman, der sicherlich ein bisschen an Etsus realen Lebensweg angelehnt war, doch sollte das Werk anti-japanischen Stimmungen entgegenwirken, wegen derer Florence Wilson aus Angst vor Anfeindungen noch nicht einmal ihre Mitautorenschaft angeben wollte.

    Die Hauptaussage findet man recht plakativ auf der letzten Seite über Etsu und ihre Reise in die USA:

    „Dort lernte sie, dass die Herzen auf beiden Seiten der Erde dieselben sind; aber das ist ein Geheimnis, das den Völkern des Ostens ebenso verborgen ist wie den Völkern des Westens.“ (S. 198)

    Bibliographische Angaben:
    Sugimoto, Etsu & Wilson, Florence: „Tochter der Samurai“ (Übersetzung aus dem Englischen: Küas, Richard), Rowohlt, Hamburg 1957

    Sonntag, 28. Februar 2016

    Etsu Sugimoto

    Etsu Sugimoto
    Die Autorin Etsu Sugimoto (geborene Inagaki) wurde 1873 als Tochter des Samurais Shigemitsu Inagaki geboren. Da ihr Vater insolvent war, wuchs sie in der Familie ihrer Mutter auf. Sie besuchte eine Missionsschule, für die sie später auch arbeitete. Mit einem Studentenvisum ging sie nach Ohio, wo sie bei der christlichen Familie Wilson lebte. Sie heiratete schließlich den in den USA lebenden Geschäftsmann Matsuo Sugimoto, mit dem sie zwei Töchter hatte.

    Nachdem das Geschäft ihres Mannes bankrott ging, kehrte Etsu Sugimoto mit ihren Kindern Hanano und Chiyo nach Japan zurück. Kurz darauf starb Matsuo an einer plötzlich auftretenden Appendizitis, nachdem er von den Wilsons noch kurz gepflegt worden war.

    Etsu Sugimoto verdiente ihren Lebensunterhalt unter anderem als Englischlehrerin und -übersetzerin, bevor sie 1916 nach dem Tod der Mutter mit ihren Töchtern in die USA zurück ging. Zunächst lebten die drei erneut bei den Wilsons in Ohio; zogen aber später nach New York. Etsu Sugimoto lehrte an der Columbia Universität und schrieb Artikel für diverse Magazine.

    Zusammen mit Florence Wilson schrieb sie in Reaktion auf die zunehmend anti-japanische Stimmung in den USA den Roman „Tochter der Samurai“, der 1925 veröffentlicht wurde.

    1927 kehrte Etsu Sugimoto nach Japan zurück und veröffentlichte weitere Bücher. Über ihr weiteres Leben bis zu ihrem Tod durch Leberkrebs im Jahr 1950 ließ sich leider (bisher) nichts in Erfahrung bringen.

    Noch eine kleine Anmerkung zu der obenstehenden Biographie, die an gewissen Stellen von anderen im Internet skizzierten Lebenswegen der Autorin variiert: Bezug nehmend auf die unten genannte Analyse von Hiroko Kugisima unterscheidet sich das Leben der wahren Etsu Sugimoto von dem der Protagonistin Etsu aus dem Roman „Tochter der Samurai“. Das Werk wirkt zwar wie die Autobiographie, doch war die Intention der beiden Autorinnen Etsu Sugimoto und Florence Wilson nicht die wahrheitsgemäße Wiedergabe des Lebensweges der Japanerin, sondern die Setzung eines Gegengewichts zu immer stärker werdenden Ressentiments gegen Japaner in den USA. Daher würde es fehl greifen, die Angaben des Romans eins zu eins als Biographie Etsu Sugimotos zu übernehmen.

    Florence Wilson entschied sich gegen die Nennung ihrer Autorenschaft, da sie Anfeindungen fürchtete. Erst nach ihrem Tod sollte ihr Beitrag zu „Tochter der Samurai“ bekannt werden.

    Interessante Links:

    Hier rezensiert:

    Weitere ins Deutsche übersetzte Werke:
    • Eine junge Japanerin
    • Heirat in Nippon

    Sonntag, 14. Februar 2016

    „Die vertauschten Geschwister – Ein höfischer Roman aus dem 12. Jahrhundert“

    Was für ein Verwirrspiel: Dem Taisho werden im Kioto des 12. Jahrhunderts von seinen beiden Gemahlinnen fast gleichzeitig zwei Kinder geboren, die sich optisch sehr ähneln. In ihrem Wesen dagegen könnten die beiden nicht gegensätzlicher sein. Das Mädchen namens Surigoromo benimmt sich wenig mädchenhaft: Es hat Unsinn im Kopf, spielt mit den Jungen und hat keine Scheu vor anderen. Der Junge Susukinoho dagegen ist eher verschämt und zieht sich gerne zurück. Für Dinge, die für Jungen typisch sind, interessiert er sich gar nicht. Lieber malt er Bilder und spielt mit Puppen.

    Dem Taisho ist dies zwar nicht recht, doch er sieht ein, dass ihm keine andere Wahl bleibt, als die beiden die Geschlechterrollen tauschen zu lassen. So wird das Mädchen Surigoromo eine männliche Karriere bei Hofe einschlagen; der Junge Susukinoho wird als Kammerjungfer bei der Kronprinzessin eingesetzt. Doch spätestens als Surigoromo mit einer Frau verheiratet wird, nimmt das Unheil seinen Lauf. Denn da die Ehefrau schwanger wird, muss ein anderer Mann die Frau verführt haben.

    Und auch der Mann Susukinoho ist in seiner Rolle als Frau nicht allzu brav. Komischerweise wird die Kronprinzessin schwanger – obwohl doch immer eine „Frau“ als Bewacherin anwesend war. Als Surigoromo auch noch schwanger wird, ist das Chaos perfekt.

    Im Vorwort erläutert Michael Stein die Entstehung des Werks, dessen Verfasserin heute namentlich leider nicht mehr bekannt ist. Es steht zu vermuten, dass eine Hofdame ein bereits vorher veröffentlichtes Werk mit „Die vertauschten Geschwister – Ein höfischer Roman aus dem 12. Jahrhundert“ überarbeitete und literarisch verbesserte. Nach dem Ende der Heian-Zeit galt der Roman als subversiv, da er mit den Samurai-Werten nicht vereinbar war. Wie könnte denn auch eine schwache Frau in einer Männerdomäne Karriere machen…?

    Einerseits liest sich „Die vertauschten Geschwister – Ein höfischer Roman aus dem 12. Jahrhundert“ recht amüsant und spannend. Andererseits ist es aber auch erschreckend, dass in der „kultivierten“ Hofgemeinschaft adelige Männer in die abgeschotteten Gemächer der Frauen eindrangen, um sie vergewaltigten.

    Es lässt sich nicht so wirklich herauslesen, ob die Verfasserin den Geschlechterwechsel gut heißt: Da wird zwar darauf hingewiesen, dass die vertauschten Rollen unnatürlich sind und Normalisierung das Ziel sein sollte. Dennoch kann sich die Frau Surigoromo so überhaupt nicht mit der Vorstellung anfreunden, sich künftig hinter Vorhängen verstecken zu müssen und in Gemächer eingesperrt zu sein. Zu gut hat ihr das freie Leben als Mann gefallen.

    Obwohl das Werk ja aus dem 12. Jahrhundert stammt, liest es sich in deutscher Übersetzung überhaupt nicht sperrig. Zudem erhält der Leser interessante Einblicke in die Gepflogenheiten am Hof von Kioto – sowohl aus weiblicher, als auch aus männlicher Perspektive.

    Bibliographische Angaben:
    Verfasserin unbekannt: „Die vertauschten Geschwister – Ein höfischer Roman aus dem 12. Jahrhundert“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Stein, Michael), Insel, Frankfurt am Main/Leipzig 1994, ISBN 3-458-16605-X

    Montag, 8. Februar 2016

    „Vom Versuch einen Glücksgott loszuwerden“ von Ko Machida

    Zwei Erzählungen des Autors Ko Machida enthält die aktuelle Neuveröffentlichung vom Cass Verlag: Neben der für den Akutagawa-Preis nominierten Erzählung „Vom Versuch einen Glücksgott loszuwerden“ ist „Flussbettlibrett“ die zweite im Bunde.

    Beide Erzählungen verbindet die Ähnlichkeit der Protagonisten: Jeweils ein gescheiterter Mann in mittleren Jahren wird in seinem Alltag irritiert und begibt sich gemeinsam mit einem Kumpan auf einen (Road-)Trip.

    In „Vom Versuch einen Glücksgott loszuwerden“ ist es Masayuki Kusunoki, der sich drei Jahre erfolgreich mit Nichtstun und Saufen um die Ohren geschlagen hat. Seine Ehefrau hat schließlich genug von dem Suffkopf und verlässt ihn über Nacht. Da hätte Kusunoki nun endlich einen Anreiz, wieder Arbeiten zu gehen, denn er steht völlig mittellos da. Doch nein – ihn stört vielmehr die Anwesenheit einer fehlkonstruierten Glücksgott-Statue, die immer wieder umfällt, da der Schwerpunkt nicht passt. Also zieht er los, den Glücksgott zu entsorgen. Doch so recht mag das nicht glücken – die Polizei lässt ihn das Ding nicht am Wegesrand ablegen, die öffentlichen Mülltonnen sind schon voll. Da überlegt sich Kusunoki, den Glücksgott bei seinem Saufkumpan abzuladen, bei dem er doch sicherlich auch den einen oder anderen Schluck Alkohol ab bekommt. Und so tut sich eine neue 2er WG auf, der aber auch bald das Geld ausgehen wird. Um wieder flüssig zu werden, heißt es nun leider doch: Arbeit finden! Allerdings geraten die beiden dabei wiederum an recht schräge Vögel, die beim Leser für Erheiterung sorgen werden.

    Ähnlich abgedreht geht es in „Flussbettlibrett“ zu: Der Ich-Erzähler und sein Kollege Goro hatten’s so schön im Nudelimbiss. Als eingespieltes Team ging alles einfach von der Hand. Bis zu dem Tag, als Hamako ebenfalls im Imbiss anfängt zu jobben. Die geizige, besserwisserische Dame bringt nichts als Chaos in den Laden. Als sie eines Tages einen Affen mit ins Lokal bringt, eskaliert die Situation – und der Ich-Erzähler muss erst mal Abtauchen. Also Goro nun mit dem Vorschlag kommt, mit einer Haushaltsauflösung und einer Urnen-Überführung etwas Geld dazu zu verdienen, geraten die beiden erst recht in ein heilloses Durcheinander.

    Ko Machidas Erzählungen sind schräg, rasant, urkomisch und fast schon surreal. In der Lässigkeit, mit der die Protagonisten trotz aller Probleme in den Tag hinein leben, scheint Ko Machidas Punk-Background durchzuschimmern. Als Nebenfiguren werden Charaktere eingeführt, die noch durchgedrehter sind als die Protagonisten und so birgt jede Seite im Erzählband eine neue Überraschung.

    Die beiden Erzählungen machen richtig Lust, auf mehr Lesestoff vom Autor – insbesondere auf einen längeren Roman.

    Bibliographische Angaben:
    Machida, Ko: „Vorm Versuch einen Glücksgott loszuwerden“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Stalph, Jürgen & Cassing, Katja), Cass, Löhne 2016, ISBN 978-3-944751-09-2

    Sonntag, 7. Februar 2016

    Ko Machida

    Der Autor, Punk-Sänger und Schauspieler Ko Machida wurde 1962 als Yasushi Machida in Sakai in der Präfektur Osaka geboren. Der Autor gibt an, als Teenager ein Bücherwurm gewesen zu sein. Auf der Oberschule gründete Ko Machida die Punk-Band Inu. Er verwendete in seiner Funktion als Sänger den Künstlernamen Machizo Machida. Seine Schreibbegeisterung lebte er als Songtexter aus. Kurz nach der Veröffentlichung des ersten Inu-Albums trennte sich die Band wieder. In Folge sang Ko Machida bei verschiedenen Bands, schauspielerte und schrieb Gedichte.

    1996 veröffentlichte er mit „Vom Versuch einen Glücksgott loszuwerden“ seine erste Erzählung, die für den Akutagawa-Preis nominiert wurde. Vier Jahre zuvor hatte er bereits seinen ersten Gedichtband veröffentlicht.

    Es folgten quasi alle größeren japanischen Literaturpreise, unter anderem der Akutagawa-Preis, der Kawabata-Preis, der Tanizaki-Preis und der Noma-Preis.

    Während die früheren Werke primär ziellose Loser-Typen als Protagonisten inszenierten, hat sich Ko Machida zwischenzeitlich auch anderen Genres geöffnet, z.B. Krimis und Samurai-Literatur.

    Der Autor lebt derzeit in Atami.

    Interessante Links:

    Ins Deutsche übersetzte Erzählungen und hier rezensiert:

    Donnerstag, 4. Februar 2016

    „Sandakan Bordell Nr. 8“ von Tomoko Yamazaki

    Tomoko Yamazakis „Sandakan Bordell Nr. 8“ kann einem gewaltig aufs Gemüt schlagen. Denn die Autorin hat sich einem besonders bitteren Thema verschrieben – nämlich die Schicksale von Japans Auslandsprostituierten, den Karayukisan, nachzuzeichnen. Und so begleitet der Leser Tomoko Yamazaki auf den Amakusa-Archipel, wo sie ehemalige Karayukisan ausfindig machen will. Doch die Schriftstellerin merkt schnell, dass sie nur ganz behutsam Zugang zu den ehemaligen Prostituierten finden kann. Über die Karayukisan will so schnell niemand mit einer Fremden sprechen.

    In einem kleinen Restaurant macht Tomoko Yamazaki die Bekanntschaft mit der alten und völlig verarmten Osaki. Vermutlich ist Osaki eine ehemalige Karayukisan. Um ihr Vetrauen zu gewinnen, nistet sich Tomoko Yamazaki für einige Wochen bei ihr ein. Wie eine Ethnologin erlebt sie so den Alltag von Osaki mit und lässt sich nach und nach deren Lebensgeschichte erzählen, die eine sehr bittere ist.

    Osaki wird Ende des 19. Jahrhunderts geboren. Als ihr Vater stirbt, stürzt die Familie in absolute Armut. Die Mutter heiratet erneut, Osaki und ihre Geschwister sind künftig auf sich alleine gestellt. Aufgrund der großen Armut auf dem Amakusa-Archipel ist es nichts Ungewöhnliches, dass junge Mädchen als Prostituierte ins Ausland verkauft werden. Die kleine Osaki hat keine Ahnung, was sie sich antut, als sie im Alter von 10 Jahren einwilligt, ins Ausland zu gehen. Ein Mädchenhändler nimmt sie mit nach Sandakan auf Borneo. Zunächst ist Osaki noch eher Haushaltshilfe, aber mit 13 Jahren muss auch sie anschaffen gehen. Bis zu 30 Freier am Tag hat sie zu bedienen. Und trotzdem werden ihre Schulden, die sie bei ihrem Zuhälter abarbeiten soll, glatt nicht weniger. Irgendwann wird Osaki dann die Nebenfrau eines Engländers, was einen gesellschaftlichen Aufstieg und Zugang zu Geld bedeutet. So kann sie endlich ihren Bruder in der Heimat finanziell unterstützen.

    Als der Engländer Borneo verlässt, kehrt auch Osaki einstweilen heim nach Japan. Obwohl ihr Bruder dank des von ihr erwirtschafteten Geldes ein Haus bauen und heiraten kann, ist sie alles andere als ein gern gesehener Gast. Schließlich geht sie erneut ins Ausland und arbeitet als Bardame. Immerhin findet sie einen annehmbaren Ehemann und bekommt einen Sohn. Doch der Mann stirbt und nach Kriegsende lebt sie von der Hand in den Mund. Selbst der eigene Sohn will bald nichts mehr mit ihr zu tun haben. Er schämt sich für seine ungebildete Mutter, die sich in jungen Jahren prostituiert hat. Ein bisschen Geld schickt er ihr monatlich – gerade so viel, dass sie nicht verhungern muss. Sie fristet ihr Dasein in einem Dreckloch, in das Tomoko Yamazaki kurzzeitig mit einzieht.

    Neben Osakis Schicksal zeichnet die Autorin auch die Lebenswege von Osakis ehemaligen Kolleginnen auf. Waren deren Leben als Karayukisan schon schrecklich, so trifft es sie nach Kriegsende erneut hart. Die eine geht an einer spät auftretenden Syphilis zu Grunde, die andere ist so verzweifelt, dass sie sich selbst das Leben nimmt.

    Osakis Leben geht einem sehr schnell sehr nahe. Mit einfachen Worten wird da ein Schicksal geschildert, das ab dem Zeitpunkt zum Scheitern verurteilt ist, als sie in die Prostitution verkauft wird. Sie opfert sich für die Männer in ihrem Leben auf und erntet nichts weiter als Verachtung. Da tut es gut, im Nachwort der englischen Ausgabe, die teilweise über Google Books verfügbar ist, zu lesen, wie wichtig es für Osaki war, dass ihr als ehemalige Karayukisan und als Analphabetin durch Tomoko Yamazakis Buch endlich eine Stimme verliehen wurde. Dank der Veröffentlichung konnten sich Osakis Lebensverhältnisse wenigstens etwas zum Besseren wenden.

    Trotzdem ist „Sandakan Bordell Nr. 8“ harte Kost und der Leser kann sich darauf einstellen, diverse negative Gefühle während der Lektüre zu durchlaufen. Nichtsdestotrotz kann ich das Buch nur jedem ans Herz legen, der sich für japanische Frauenschicksale interessiert. Osakis Leben hat es verdient, erzählt und gelesen zu werden.

    Bibliographische Angaben:
    Yamazaki, Tomoko: „Sandakan Bordell Nr. 8“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Sumoto-Schwan, Yukiko & Schwan, Friedrich B.), Iudicium, München 2005, ISBN 3-89129-406-9

    Mittwoch, 3. Februar 2016

    Tomoko Yamazaki

    Über Tomoko Yamazaki lässt sich wieder einmal nur recht wenig ausfindig machen, wenn man kein Japanisch spricht. Laut Klappentext von „Sandakan Bordell Nr. 8“ ist die Non-Fiction-Autorin 1932 in Nagasaki geboren. Lässt man sich die japanische Wikipedia-Seite der Schriftstellerin ins Deutsche übersetzen, so scheint sie die Tochter eines Marineoffiziers und in Hiroshima aufgewachsen zu sein. Nach ihrem Studium der Erziehungswissenschaften arbeitete sie wohl als Grundschullehrerin, träumte jedoch von einer Schauspielkarriere.

    Ein Mann, der von Tomoko Yamazaki besessen war, scheint ihr 1958 Gesichtsverletzungen beigebracht zu haben. Daraufhin musste sie den Traum vom Schauspielern begraben. Im Jahr darauf heiratete Tomoko Yamazaki wohl Ichiro Uesho.

    Tomoko Yamazaki interessierte sich insbesondere für die Geschichte der japanischen Frau. Ihr Werk „Sandakan Bordell Nr. 8“ aus dem Jahr 1972 wurde mit dem Oya-Soichi-Preis ausgezeichnet und verfilmt.

    Interessante Links:

    Ins Deutsche übersetzte Werke und hier rezensiert:

    Dienstag, 2. Februar 2016

    „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ von Ryutei Tanehiko

    Ryutei Tanehikos „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ startet mit einer Vorbemerkung des Übersetzers, was es denn mit dem sperrigen Buchtitel auf sich hat.

    „Ein japanisches Sprichwort sagt: die Menschen und die Wandschirme können nicht gerade stehen, das heißt: so wie die letzteren sich nicht aufstellen lassen, ohne gebogen zu werden, so können die ersteren die Geradheit des Charakters nicht bewahren.
    Der Verfasser will beweisen, dass dieses ein schlechtes Sprichwort sei, und zeigt in seiner Erzählung Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt – das sind Menschen, die wirklich gerade stehen.“ (S. 5)

    Und so geht es in der Erzählung nicht nur um die Liebesgeschichte von Sakitsi zu Komatsu, sondern auch um den Aufopferungswillen, den die junge Frau Komatsu an den Tag legt, indem sie sich selbst an ein Teehaus verkauft, um ihrer Familie ein besseres Leben zu ermöglichen. Hinzu kommen einige Irrungen und Wirrungen, die daraus resultieren, dass die Protagonisten andere Namen annehmen.

    An sich ist „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ ein recht harmloses Stück Prosa mit einer immerhin überraschenden Wendung zum Ende hin. Interessant ist die Erzählung vielmehr aus geschichtlichem Anlass: Sie soll die erste Übersetzung eines japanischen Prosawerks ins Deutsche (bzw. vielleicht auch die erste Übersetzung in eine westliche Sprache ganz allgemein) gewesen sein, als der Österreicher August Pfizmaier im Jahr 1847 Ryutei Tanehikos Werk übersetzte. Pfizmaier scheint in der Wiener Hofbibliothek über die Erzählung gestolpert zu sein, die über Franz von Siebold nach Österreich gelangt war. Später hat sich Pfizmaier dann bekannteren Werken wie dem „Kopfkissenbuch“ von Sei Shonagon oder dem „Ise monogatari“ gewidmet.

    „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ lesen sich teilweise recht eingängig, manchmal tut man sich allerdings etwas schwer, den Sinn des Gesagten zu erschließen, wie beispielsweise hier:

    „Um bei gleicher Farbe und bei gleichem Duft mit den Blumenbüscheln und den hastigen Sprösslingen den jungen Pflaumenbaum der keimenden Blüten nicht vergebens zu bestreuen, war die Gunst des mütterlichen Baumes groß.“ (S. 85)

    Hier spricht Sakitsis Adoptivmutter, die sich für ihren Sohn eine andere Frau als Komatsu wünscht, Sakitsis Ansinnen schließlich aber doch unterstützt. Diese Motivation lässt sich aber frühestens nach dem zweiten Durchlesen so deuten.

    Glatt noch besser gefällt mir dieser Auszug:

    „und ihm folgten als Begleiter der bei dem Teelöffel die Halle der Zugengeläufigkeit bewohnende, gut aufgelegte marktschreierische Arzt Jabuwara Tsikusai“ (S. 55)

    Das sind natürlich alles nur Kleinigkeiten und vor der Pionierleistung des Übersetzers August Pfizmaier kann man auch nur den Hut ziehen – dennoch musste ich über den Teelöffel und die Halle der Zungengeläufigkeit sehr schmunzeln.

    Bibliographische Angaben:
    Tanehiko, Ryutei: „Die sechs Wandschirme in Gestalten der vergänglichen Welt“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Pfizmaier, August), Kranich Verlag, Berlin 1942

    Donnerstag, 21. Januar 2016

    Ryutei Tanehiko

    Ryutei Tanehiko
    (Creative Commons-Lizenz)
    Der Autor Ryutei Tanehiko (weitere Schreibweise: Riutei Tanefiko) wurde 1783 als Takaya Hikoshiro und Sohn eines niederrangigen Samurais geboren. Er schrieb sowohl Gedichte als auch Prosa.

    Seinen größten Erfolg feierte Ryutei Tanehiko mit „Ländlicher Genji von einer falschen Murasaki“ (bitte nagelt mich nicht auf eine korrekte Übersetzung fest – insbesondere die englischsprachigen Internetquellen übersetzten den Titel „Nise Murasaki inaka Genji“ sehr unterschiedlich; ich habe mich an dem französischen Wikipedia-Artikel zum Werk orientiert, das hier als „Genji rural par une fausse Murasaki“ geführt wird). Der Roman aus dem Jahr 1829 parodiert das klassische „Genji Monogatari“, indem Genji in die Muromachi-Zeit versetzt wird, zeitgenössisch spricht und sich nach aktueller Mode kleidet. Das Werk wurde zu einem der beliebtesten der Edo-Zeit. 1842, im Zuge der Tenpo Reformen, wurde eine Neuauflage des Romans untersagt; die Druckplatten wurden konfisziert. Kurz darauf starb Ryutei Tanehiko.

    Interessante Links:

    Ins Deutsche übersetzte Erzählungen und hier rezensiert:

    Montag, 18. Januar 2016

    „Lob der Meisterschaft“ von Junichiro Tanizaki

    Junichiro Tanizakis „Lob der Meisterschaft“ setzt sich mit der Differenz von Meisterschaft versus Kunst auseinander. So versteht Tanizaki die Meisterschaft („gei“) als etwas, was durch lange Übung erworben ist und traditionellen Charakter hat. Dabei vergleicht der Autor das Erwerben von Meisterschaft mit unermüdlichem Polieren – bis eine unvergleichliche Patina entsteht. Die Motivation eines Meisters der traditionellen japanischen Künste beschreibt Tanizaki wie folgt:

    „Es gibt kein Streben nach materiellen Dingen für ihn, meist nicht einmal ein Streben nach Ruhm; er hat nichts außer seiner Meisterschaft.“ (S. 50)

    Kontrastiert wird dieses Ideal mit dem moderneren Begriff der Kunst („geijutsu“), die dem Wert des Individualismus und durchaus finanziellen Interessen folgt.

    Vor dem Hintergrund des zunehmenden Einflusses des Westens macht sich Tanizaki in dem Essay Gedanken, die – wie er selbst angibt – „ein buntes, widersprüchliches und ausschweifendes Geplauder“ (S. 104) sind. Daher sollte man von „Lob der Meisterschaft“ nicht zuviel erwarten – an manchen Stellen wirkt der Essay tatsächlich etwas widersprüchlich. Da ist Tanizaki einerseits tatsächlich voll des Lobes diesen Meistern ihres Fachs gegenüber, anderseits stellt er deren Intellekt eher ein Armutszeugnis aus; scheint gar auf sie herunterzuschauen.

    Dafür kann man dem schmalen Büchlein aber das Selbstverständnis der vormodernen, japanischen Schriftsteller entnehmen, was insbesondere für diesen Blog natürlich ein tolles Zitat darstellt:

    „Nach allgemeinem Verständnis der heutigen Literaturkreise ist eine Literatur, die sich von der Wirklichkeit absetzt, feige. Aber diese Denkweise ist dem westlichen Einfluss zuzuschreiben. Unser ursprüngliches Verständnis von Literatur bestand darin, dass sie uns die Nöte der profanen Welt vergessen lassen soll.“ (S. 77)

    Alles in allem würde ich den Klappentext von „Lob der Meisterschaft“, der da lautet, dass der Essay „ein Schlüsselwerk zum Verständnis der japanischen Kultur“ sei, nicht unterschreiben. Zwar beinhaltet das Werk sicherlich einige interessante Gedankengänge, andererseits aber auch Aussagen, über die man heutzutage eher ein bisschen den Kopf schütteln muss. Der Essay im japanischen Zuihitsu-Stil ist nun mal auch keine knallharte Analyse, die Fakten darlegt, sondern ist von den persönlichen Erfahrungen des Autors geprägt.

    Bibliographische Angaben:
    Tanizaki, Junichiro:
    „Lob der Meisterschaft“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Klopfenstein, Eduard), Manesse, Zürich 2010, ISBN 978-3-7175-4079-3

    Sonntag, 17. Januar 2016

    „Yonosuke – Der dreitausendfache Liebhaber“ von Saikaku Ihara

    Saikaku Ihara entführt den Leser mit „Yonosuke – Der dreitausendfache Liebhaber“ erneut in die Freudenviertel Japans des 17. Jahrhunderts. Sein Protagonist Yonosuke hat es schon als Kind faustdick hinter den Ohren: Er verführt die Damen, wann und wo er nur kann, und ist auch nicht abgeneigt von der Liaison mit dem einen oder anderen Mann. Dank seiner reichen Eltern kann er sich diverse Eskapaden leisten. Doch irgendwann schlägt er so über die Stränge, dass sein Vater ihn verstößt.

    Ein Leben als buddhistischer Mönch ist nur von allzu kurzer Dauer – die „vergängliche Welt“ ruft nach ihm; er kann von den Frauengeschichten einfachen nicht die Finger lassen. Ohne Geld in der Tasche zu haben, kann Yonosuke freilich nur mittels solventer Gönner weiterhin in den Freudenvierteln verkehren. Seine amourösen Abenteuer erlebt er nun mit diversen Frauen – gern auch mal mit der einen oder anderen verheirateten. So ist der Ärger vorprogrammiert, der ihn unter anderem sogar ins Gefängnis bringt.

    Als sein Vater stirbt, erbt Yonosuke ein unermessliches Vermögen. Keinen Deut weiser als zuvor beschleißt Yonosuke, das Geld in den Freudenvierteln von ganz Japan zu verprassen. Saikaku Ihara schildert nun diverse Geschichten aus den Kuruwas (= Rotlichtvierteln), mal mehr aus Yonosukes Perspektive, mal mehr aus der von verschiedenen Kurtisanen. Diese kurzen Episoden erlauben einen vielfältigen Einblick in das Leben der Prostituierten. So verkehrt Yonosuke primär mit Tayus, den ranghöchsten Kurtisanen, die so populär sind, dass sie sogar gut zahlende Gäste abweisen können.

    Die bekanntesten Kuruwas liegen in Kioto, Edo und Osaka; jedes hat seinen eigenen Reiz:

    „Die Kuruwas der Städte haben jeweils ihre Eigentümlichkeiten, die Kurtisanen in Shimabara in Kyoto sind fein, vornehm und charmant, die Kurtisanen in Yoshiwara in Edo legen mehr Gewicht auf Stolz, Intelligenz und raschen und flinken Witz.
    Was jedoch Pracht und Luxus der Teehäuser anlangt, so steht das Kuruwa von Osaka an erster Stelle.“ (S. 210)

    Über die Entstehung von Kuruwas weiß Saikaku Ihara folgendes zu berichten:

    „Die Ursprungsorte der Kuruwa-Systeme unseres Landes waren Asatsuma in der Provinz Omi und Murotsu in der Provinz Harima, von diesen beiden Orten aus verbreitete sich das System mit der Zeit über das ganze Land.“ (S. 163)

    Oscar Benl schreibt in seinem Nachwort, dass Saikaku Ihara, der sicherlich kein Kind von Traurigkeit war, wahrscheinlich als Inspirationsquelle das lexikonartige Werk „Große Spiegel der Liebeskunst“ nutzte. Mit „Yonosuke – Der dreitausendfache Liebhaber“ begründete Saikaku Ihara das Genre des Ukiyo-zoshi, das sich der flüchtigen, veränglichen Welt der Liebe widmete. Überhaupt war das Werk das erste veröffentlichte Prosawerk des Autors, der vorher primär als Poet schriftstellerisch tätig war.

    Als einen Roman kann man „Yonosuke – Der dreitausendfache Liebhaber“ eigentlich nicht bezeichnen, da diverse Episoden aneinandergereiht werden, die man (fast) unabhängig voneinander lesen kann. Wer sich für die Kuruwas, die damaligen Methoden, Liebschaften zu pflegen und das Leben von Tayus interessiert, der wird mit „Yonosuke – Der dreitausendfache Liebhaber“ seine helle Freude haben!

    Bibliographische Angaben:
    Ihara, Saikaku:
    „Yonosuke – Der dreitausendfache Liebhaber“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Kani, Kazuo), Europäischer Buchklub, Stuttgart/Zürich/Salzburg 1966

    Dienstag, 12. Januar 2016

    „Auf einem andern Weg“ von Ayako Miura

    Der autobiographische Roman „Auf einem andern Weg“ ist sicherlich primär für die Leser interessant, die sich für die Person der Autorin Ayako Miura (geborene Hotta) und ihren bewegten Lebensweg begeistern können. Sprachlich ist das Werk sehr einfach gehalten, was jedoch nicht negativ zu verstehen ist. Vielmehr liest sich die Autobiographie so, als würde uns eine gute Bekannte aus ihrem Leben erzählen. Und so leidet man mit der Autorin mit und kann sich das eine oder andere Mal ein Tränchen kaum verkneifen. Denn krankheitsbedingt musste Ayako Miura einiges auf sich nehmen und hatte dabei das Glück, an besonders verständnisvolle Männer zu geraten.

    „Auf einem andern Weg“ setzt ein mit dem Schock, den die Lehrerin Ayako mit der Kapitulation Japans nach dem zweiten Weltkrieg erlitt. Vieles von dem, was sie noch während des Krieges unterrichtete, soll nun plötzlich falsch sein. Zusammen mit den Schülern werden Stellen aus den Lehrbüchern geschwärzt und somit für nichtig erklärt. Für Ayako bricht eine Welt zusammen und sie verliert ihren Halt. Sie kann ihren ehemaligen Schülern nicht einmal mehr in die Augen schauen. Um aus dem Lehrerberuf ausscheiden zu können, flüchtet sie sich in die Verlobung mit Ichiro Nishinaka.

    Doch fast direkt darauf folgt die Diagnose der Tuberkulose, die Ayako lange Zeit ans Krankenbett fesseln wird. Ichiro steht zu seiner Verlobten, besucht die Kranke und unterstützt sie finanziell. Auch ein Jugendfreund namens Tadashi Maekawa beginnt, Ayako regelmäßig zu besuchen. Der Christ Tadashi ist ebenfalls an Tuberkulose erkrankt. Er erkennt, dass Ayako den Halt verloren hat und versucht, ihr den christlichen Glauben näher zu bringen. Dabei sind ihm keine Mühen zu groß, um Ayako wieder Lebensmut einzuhauchen. Der ist auch bitter nötig, denn die Kranke löst ihre Verlobung, da sie Ichiro nicht länger hinhalten möchte. Kurz danach misslingt ihr ein Selbstmordversuch. Halt findet Ayako schließlich doch im Christentum; sie lässt sich taufen.

    Der gütige Tadashi ist bald mehr als nur ein guter Freund. Die beiden Tuberkulose-Kranken verloben sich. Doch die Krankheit wird bei Tadashi einen tödlichen Ausgang haben, während Ayako regungsunfähig im Gipsbett liegt. Nicht einmal bei seiner Beerdigung kann sie dabei sein. Wie ein Geschenk des Himmels wirkt da das Kennenlernen des Christs Mitsuyo Miura, der Tadashi Maekawa nicht nur optisch, sondern auch in seiner Haltung gleicht. Aber Ayako kann sich (noch) nicht von der Vorstellung frei machen, sie würde Tadashi verraten, wenn sie eine neue Beziehung eingeht. Zudem fühlt sie sich als Kranke nicht würdig, mit einem gesunden Mann anzubändeln.

    Von Ayako Miuras Lebensweg kann man nur beeindruckt sein. Nicht nur krankheitsbedingt hat sie viele Krisen durchgemacht, sich dann aber dennoch irgendwie durchgebissen. Darüberhinaus hat sie anderen Kranken durch briefliche Korrespondenz beigestanden und so die Hilfe weitergegeben, die sie selbst einmal erhalten hat.

    Bibliographische Angaben:
    Miura, Ayako: „Auf einem andern Weg“ (Übersetzung aus dem Englischen: Noack, Hans-Georg), Christliche Verlagsanstalt, Konstanz 1978, ISBN 3-7673-3355-4

    Sonntag, 10. Januar 2016

    „Ein Kirschbaum im Winter“ von Yasunari Kawabata

    Zentrum von Yasunari Kawabatas „Ein Kirschbaum im Winter“ ist das Familienoberhaupt Shingo Ogata. Shingo hat seinerzeit die jüngere Schwester seiner toten Angebeteten geheiratet. Allerdings reicht seine Ehefrau Yasuko bei Weitem nicht die Schönheit der Verstorbenen heran. Shingo und Yasuko haben zwei verheiratete Kinder: Der Sohn Shuichi hat die schöne Kikuko geehelicht, mit der er ganz traditionell bei seinen Eltern wohnt. Shuichi hat jedoch eine außereheliche Liebschaft, unter der Kikuko sehr leidet. Die Tochter Fusako ist ebenfalls nicht glücklich in ihrer Ehe: Ihr Mann Aihara ist drogensüchtig, es kommt oftmals zum Streit. Zusammen mit ihren Töchtern Satoko und Kuniko wird Fusako bald zurück zu den Eltern ziehen.

    Shingo ist ganz bezaubert von der Schönheit seiner Schwiegertochter Kikuko – sucht er doch umsonst die Anmut der Jugendliebe in seinen weiblichen Blutsverwandten. Da sein Sohn Shuichi Kikuko kaum Aufmerksamkeit zukommen lässt, versucht Shingo dies mit besonders nettem Verhalten Kikuko gegenüber auszugleichen – sehr zum Ärgernis seiner Tochter Fusako. Shingo hofft darauf, dass Shuichi seine Affäre bald beendet, doch ist er recht phlegmatisch und drängt kaum seinerseits darauf, dass Shuichi seiner Ehefrau treu zu sein hat. Doch ohne die Trennung Shuichis von seiner Geliebten ist der Familienfrieden bedroht.

    Yasunari Kawabatas „Ein Kirschbaum im Winter“ mag auf den ersten Blick etwas langatmig und dröge vorkommen; insbesondere wenn man sich noch nicht allzu sehr mit den Eigenheiten von japanischer Literatur befasst hat. Denn Shuichi zögert zu sehr, beobachtet sehr viel und erweist sich nicht als ein starker Protagonist.

    Stattdessen erwartet den Leser ein großes Spektrum an verschiedenen Themen, die parallel in die Familiengeschichte von Shingo eingeflochten werden. Da geht es einerseits noch um klassisch-traditionelle Familienstrukturen und andererseits um moderne Frauen, die unabhängig von Männern ihr Leben führen können/müssen. Da geht es um den Wert der Schönheit und der Anmut in der japanischen Kultur. Metaphysische Erlebnisse, böse Omen und Traumdeutungen paaren sich mit dem für die japanische Literatur typischen Motiv der Jahreszeiten, die durch die Betrachtung von Pflanzen vermittelt werden. Reminiszenzen an verschiedene Kulturbereiche wie das No-Theater, Malerei (Stichwort: Kazan Watanabe) und Literatur (Stichwort: Ogai Mori) lassen en passant kurz in die japanische (Hoch-)Kultur eintauchen. Und dann gibt es auch noch die Eigenheiten des Doppelselbstmords, die Abfindungen für Geliebte und die Quasi-Selbstverständlichkeit von Abtreibungen. Aber auch ganz abseits von japanischen Themen geht es auch um das Altern, den Verfall und den Tod. All das und sicherlich noch einige mehr Aspekte machen den vielschichtigen Roman aus, auf den man sich als Leser auch einlassen muss.

    Interessant ist es sicherlich, Junichiro Tanizakis „Tagebuch eines alten Narren“ im Vergleich zu lesen. Obwohl es im Junichiro Tanizaki-Werk ebenfalls um eine Schwiegervater-Schwiegertochter-Beziehung und das Altern geht, verorten sich „Tagebuch eines alten Narren“ und „Ein Kirschbaum im Winter“ äußerst verschieden.

    Bibliographische Angaben:

    Kawabata, Junichiro: „Ein Kirschbaum im Winter“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Schaarschmidt, Siegfried & Kure, Misako) DTV, München 1971, ISBN 3-423-00793-1

    Samstag, 9. Januar 2016

    „Ein Frontschwein“ von Katai Tayama

    Markus Rösken, der für die Übersetzung und Veröffentlichung von „Ein Frontschwein“ verantwortlich zeichnet, gibt auf Amazon an, mit seinen Übersetzungsarbeiten Werke von Autoren zugänglich machen zu wollen, die bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt worden sind. Nun hat er sich leider für die erste Übersetzungsarbeit ausgerechnet eine Erzählung vorgenommen, die in der Anthologie „Träume aus zehn Nächten“ des Aufbau-Verlags bereits vor 40 Jahren veröffentlicht wurde. Ein bisschen leid tut mir das für den beflissenen Übersetzer. Aber schließlich ist es nicht gerade unaufwendig, sich über einzelne Erzählungen in den verschiedensten Sammelbänden einen Überblick zu verschaffen. Es bleibt aber zu hoffen, dass das nächste Werk, dem er sich annimmt, wirklich eine bisher durch die Sprachbarriere verschlossene Tür für deutsche Leser aufstößt.

    Denn man sieht an „Ein Frontschwein“, dass der Übersetzer das Werk in einen Sinnzusammenhang stellen möchte: Nicht nur eine Kurzbiographie des Autors ist der Erzählung vorangestellt, sondern auch eine Einordnung der Bedeutung des Werks. So ist Katai Tayamas „Ein Frontschwein“ eine der wenigen literarischen Aufarbeitungen des Russisch-Japanischen Kriegs, die von einem Zeitzeugen, der den Krieg vor Ort erlebte, verfasst wurden. Markus Rösken schreibt zwar, Katai Tayama sei Soldat im Krieg gewesen, während man auf Wikipedia liest, er sei als Zeitungskorrespondent in der Mandschurei tätig gewesen. Wie dem auch sei…

    Katai Tayama beschreibt aus der Sicht eines einfachen Soldaten (im Soldatenjargon ein sogenanntes „Frontschwein“) einen Tag nahe der Front von Liaoyang. Er ist an Beriberi erkrankt, hat die katastrophalen Zustände auf der improvisierten Krankenstation nicht mehr ertragen können und versucht gerade, auf eigene Faust zu seiner Einheit zurückzukehren. Das beweist sich jedoch bald als ein Fehler: Der Soldat ist noch bei weitem nicht gesundet. Wie im Fieberwahn hat er Visionen aus seiner angenehmen Vergangenheit in Japan, während er der völligen Erschöpfung nahe immer weiter stapft. Auch die tragischen Erlebnisse von der Front kommen ihm in den Kopf. Halt scheint er jedoch vor allem in der Erinnerung an seine Frau und an seine Kindheit zu finden. Als das bemitleidenswerte Frontschwein endlich einen Armeestützpunkt erreicht, kann der Soldat nur noch auf die Hilfe eines Arztes hoffen…

    Interessant fand ich an „Das Frontschwein“ vor allem, dass die Erzählung unverhohlen Kritik am Soldatenleben äußert:

    „Plötzlich dachte er, dass es nichts Grausameres gab, als die Unfreiheit des Soldatenlebens. Seltsamerweise kamen ihm jetzt überhaupt nicht mehr die Parolen von damals wie ‚Gegen ein gewöhnliches Leben!’ oder ‚Opferbereitschaft’ in den Sinn, sondern lediglich Angst brodelte in ihm.“ (Position 184f.)

    Kurz schießt dem Soldaten gar die Idee des Desertierens durch den Kopf – doch dann wäre eine Rückkehr nach Japan unmöglich, da das dem sozialen Tod gleichkommen würde. So fügt er sich doch ins Unvermeidliche.

    Bibliographische Angaben:
    Tayama, Katai: „Ein Frontschwein“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Rösken, Markus), Kindle Edition, 2015

    Samstag, 2. Januar 2016

    Katai Tayama

    Katai Tayama
    (Creative Commons-Lizenz)
    Der Autor Katai Tayama wurde 1872 als Rokuya Tayama in Tatebayashi in der Präfektur Gunma geboren. Er entstammte einer niederrangigen Samurai-Familie. Sein Vater verdingte sich bei der Polizei und wurde in während der Satsuma-Rebellion getötet. Katai Tayama und seine Geschwister wurden daraufhin nach Tokio geschickt. Nach einer abgebrochenen Lehre als Lehrling im Buchhandel kehrte Katai Tayama nach Tatebayashi zurück.

    1886 zog die Familie Tayama schließlich geschlossen nach Tokio. Katai Tayama nahm bei verschiedenen Lehrern Schreibunterricht. 1896 trat er in die Bungakukai ein. Kunikida Doppo begeisterte ihn für verschiedene westliche Autoren, insbesondere für Guy de Maupassant. Aber auch Emile Zola und die Brüder Edmond und Jules Goncourt stellten literarische Vorbilder für Katai Tayama dar. Des Weiteren beeinflusste ihn der deutsche Naturalismus von Gerhart Hauptmann und Herrmann Sundermann.

    Im Jahr 1904 zog eine weibliche Verehrerin in den Haushalt des zwischenzeitlich verheirateten Katai Tayama ein. Die daraufhin entstehenden Spannungen verarbeitete der Autor in seinem Roman „Futon“ – die Verehrerin betitelte Katai Tayama in Anspielung auf Gerhart Hauptmanns „Einsame Menschen“ als seine eigene Anna Mahr. „Futon“ gilt als erster naturalistischer Ich-Roman.

    Ebenfalls im Jahr im Jahr 1904 wurde Katai Tayama für einige Monate durch die Zeitung Hakubunkan als Korrespondent und Kriegsberichterstatter des Russisch-Japanischen-Kriegs in die Mandschurei geschickt. In Folge entstand die Erzählung „Ein Frontschwein“/„Ein Soldat“.

    Mit dem Niedergang des Naturalismus, einer unglücklichen Affäre mit einer Geisha und einigen Todesfällen im Familien- und Bekanntenkreis von Katai Tayama wurden dessen Werke dunkler, pessimistischer und religiöser.

    Der Autor, der als einer der wichtigsten Vertreter des japanischen Naturalismus gilt, starb 1930 an Rachenkrebs.

    Interessante Links:


    Ins Deutsche übersetzte Erzählungen und hier rezensiert:
    • Ein Frontschwein
      identisch mit: Ein Soldat (in „Träume aus zehn Nächten“)