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Samstag, 3. Januar 2015

„Frau Yasui“ von Ogai Mori

Ogai Moris „Frau Yasui“ ist ein schmales Büchlein von gerade mal gut 30 Seiten, herausgegeben im Toyo Verlag. Das Werk ist ein Porträt des 1799 geborenen Chuhei (Sokken) Yasui und dessen Ehefrau Sayo. Mit

„Neben dem Gerücht: ‚Aus Herrn Chuhei wird einmal etwas Außerordentliches werden’, ging auch eine andere Rede im ganzen Dorf Kiyotake um, nämlich: ‚Ein hässlicher Mensch ist er doch!’“ (S. 1)

beginnt Ogai Moris „Frau Yasui“. Und wahrlich – Chuheis Gesicht ist seit einer Pockenerkrankung schrecklich vernarbt und zudem ließ die Infektion sein rechtes Auge erblinden. Neben dem stattlichen, älteren Bruder Bunji wirkt Chuheis Aussehen umso hässlicher. Chuhei studiert die chinesischen Klassiker in Edo und wird 29-jährig Lehrer in des Vaters Schule. Dieser befindet, dass es Zeit ist, dass Chuhei heiraten soll. Aufgrund Chuheis Vernarbungen im Gesicht soll die Ehefrau in der Verwandtschaft gefunden werden. Die erste Wahl fällt auf Chuheis Cousine Toyo, die den Heiratsantrag jedoch rundweg ablehnt. Die Überraschung ist groß, als Toyos jüngere Schwester Sayo, die hübscher und dabei doch bescheidener ist, den Wunsch äußert, Chuheis zu ehelichen.

Sayo wandelt sich von einem schüchternen Mädchen zu einer würdigen Ehefrau. Als Chuhei wegen seiner Ämter nach Edo ziehen muss, folgt ihm Sayo bald mit den Kindern nach.

Mit 51 Jahren stirbt Sayo als mustergültige, bescheidene Ehefrau, die ihre Wünsche hinter der Karriere des Ehemanns zurückstellt. Warum mag Sayo freiwillig dieses Leben gewählt haben? Ogai Mori mutmaßt:

„Niemand wird glauben, dass Frau Osayo sich nicht vorstellen konnte, wie angenehm ein üppiges Leben wäre. Niemand kann glauben, dass sie eben nur eine Frau war, von Natur aus anspruchslos, sowohl geistig, wie auch materiell. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte sie ein Lebensziel vor Augen, vor dem alles Irdische nichts anderes als ein Staubkörnchen war.“ (S. 30 f.)

Der dokumentarische Charakter des Texts wird so auf den letzten Seiten mit Gedanken des Autors angereichert. Dennoch wirkt das Werk sehr trocken und erlaubt nur wenig Identifikation mit den Handelnden. Daher ist „Frau Yasui“ sicherlich primär für die Leser interessant, die sich für die Person des Chuhei (Sokken) Yasui begeistern.

Bibliographische Angaben:
Mori, Ogai: „Frau Yasui“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Koike, Kenji & Zobel, Günter), Toyo Verlag, Tokio 1978

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