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Sonntag, 31. August 2014

„Stille Berge“ von Sunao Tokunaga

„August 1945… Wie auf ein Kommando hören im Bezirk Nagano die Schornsteine der zahlreichen Werke und Fabriken rund um den Suwasee zu rauchen auf. Der Krieg ist aus – Japan hat kapituliert.“ (S. 5)

Dies ist die Ausgangslage in Sunao Tokunagas „Stille Berge“. Die jungen Arbeiterinnen versuchen verzweifelt, möglichst schnell nach Hause zu kommen – es gehen Gerüchte um, dass die amerikanischen Besatzer die Frauen vergewaltigen werden. Die Großgrundbesitzer der Familie Torisawa haben Angst um die Zukunft, soll doch eine Bodenreform kommen. Unter den Kleinbauern herrschen Zwistigkeiten: Heimkehrer fordern ihr Pachtland zurück – doch wovon sollen die Familien leben, die kein Land zu bestellen haben? Die Leitung der Tokio-Electro-Company versteckt noch schnell Armeebestände auf dem Land der Familie Torisawa.

In den ersten Kapiteln stellt Sunao Tokunaga eine Flut von Personen und Problemlagen vor. Einige der Charaktere sollen in „Stille Berge“ nur einen Auftritt erhalten, andere werden bis zum Ende in Aktion treten. Daher ist der Einstieg in den Roman eher etwas anstrengend, da auch kein Personenregister enthalten ist. Doch schließlich grenzen sich die Hauptakteure auf ca. ein gutes halbes Dutzend Charaktere ein.

Da ist Araki, der Obermeister der Dreherei im Werk der Tokio-Electro-Company am Suwasee, dessen Bruder als bekennender Kommunist inhaftiert und im Gefängnis gestorben war. Araki wird sich bald für die Gründung einer Gewerkschaft einsetzen.

Ikenobe ist ein einfacher Arbeiter, der unter anderem durch Araki mit der kommunistischen Ideologie in Berührung kommt. Ren Torisawa, Tochter des Großgrundbesitzers, die während des Krieges bei der Tokio-Electro-Company arbeitet, verliebt sich in ihn – Konflikte aufgrund der unterschiedlichen Abstammung sind vorprogrammiert.

Der heimkehrende Oberleutnant Komatsu ist ein entfernter Verwandter von Ren, die er sicherlich nur allzu gern sein Eigen nennen würde. Auch er arbeitet bald bei der Tokio-Electro-Company. Gemeinsam mit Direktor Sagara steht er an vordersten Front gegen die Bestrebungen der Arbeiterschaft um eine Gewerkschaft und bessere Arbeitsbedingungen.

Auch Furukawa kehrt von der Front heim. Er ist ein Freund Ikenobes und erhält seine Anstellung bei der Tokio-Electro-Company zurück, die er vor seiner Verpflichtung bei der Armee inne hatte. Furukawa ist besonders desillusioniert: Er hat die Schrecken des Kriegs hautnah miterlebt. Seine Mutter ist unter dem Bombenhagel über Tokio verbrannt. Sein Geld versäuft er am liebsten. Noch ist er dem Kaiser treu ergeben, doch als er erkennt, dass auch der Kaiser nur ein Mensch ist, findet er einen neuen Halt im Kommunismus.

Hatsue ist Zimmerälteste im Frauenwohnheim der Tokio-Electro-Company. Auch die Frauen beginnen sich nach Kriegsende für den Kommunismus zu interessieren. Die patriarchalischen Strukturen werden in Frage gestellt und die stillen Arbeitsbienen werden aktiv und entdecken eine bisher nie gekannte Ungezwungenheit.

Sunao Tokunaga schildert in „Stille Berge“ den Kampf der Belegschaft für die Gründung einer Gewerkschaft und den Weg dreier junger Männer, bis sie sich für den Eintritt in die Kommunistische Partei entscheiden. Insbesondere letzteres wird enorm ideologisch aufgeladen und wirkt eher wie eine Konvertierung in eine Sekte. Kleines Beispiel gefällig?

„In der ganzen Welt führen die Proletarier einen unablässigen Kampf, und ihr Vortrupp ist überall die Kommunistische Partei. Könnte man doch Kommunist werden, dachte Furukawa, und Schulter an Schulter mit ihnen schreiten! Ja, dafür würde er mit Freuden sein Leben hingeben.“ (S. 391)

Sunao Tokunagas „Stille Berge“ krankt etwas daran, dass der Autor gar so viel Handlung in ein Buch presst. Allein der heimkehrende Furukwawa mit seinen Kriegstraumata, Suff-Erfahrungen und der Abwendung vom Kaisertum hätte genug Stoff für einen eigenen Roman hergegeben. Auch die verzogene, reiche Ren, die sich für den Kommunismus zu interessieren beginnt, sich verliebt, vergewaltigt wird und bisher nicht gekannte Demütigungen hinnehmen muss, hätte noch viel eingehender und gerade hinsichtlich ihres Traumas nach der Vergewaltigung besser beschrieben werden können.

Zwar ist „Stille Berge“ durchaus unter einem zeitgeschichtlichen Aspekt sehr interessant, jedoch wirkt mir das Ende dann doch zu propagandistisch-heroisch und lässt viele Fragen offen. Diesem Umstand ist es jedoch sicherlich zu verdanken, dass das Werk überhaupt ins Deutsche übersetzt und in den 50er Jahren im ostdeutschen Berlin veröffentlicht wurde.

Bibliographischen Angaben:
Tokunaga, Sunao: „Stille Berge“, Volk und Welt, Berlin 1954

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