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Samstag, 28. September 2013

„Grapefruit“ von Yoko Ono

Yoko Onos „Grapefruit“ trägt in der englischsprachigen Version den Untertitel „A book of Instructions and Drawings by Yoko Ono – Introduction by John Lennon”. John Lennons Vorwort fällt allerdings recht kurz aus:

„Guten Tag. Mein Name ist John Lennon. Ich möchte Sie mit Yoko Ono bekanntmachen.“

Nun folgen Yoko Onos Instruktionen, Anweisungen wie der Leser prinzipiell selbst Fluxus betreiben könnte. Die lesen sich teilweise, als würde eine von Yoko Tawadas Protagonistinnen eine schräge Zeit erleben:

„Zimmerstück 1
Bleib eine Woche lang im Zimmer.
Nimm nichts zu dir außer Wasser.
Am Ende der Woche
soll dir jemand etwas ins Ohr flüstern.

Zimmerstück 2
Bleib zehn Tage lang im Zimmer.
Iß nichts. Rauche.
Flüstere jemandem am Ende der zehn Tage
etwas ins Ohr.

Zimmerstück 3
Bleib einen Monat lang im Zimmer.
Sprich nicht. Schau nicht.
Flüstere am Monatsende.“

Kapitelweise behandelt Yoko Ono die sieben Themenbereiche Musik, Bilder, Ereignisse, Gedichte, Dinge, Film, Theater und fügt schließlich noch „Yoko Onos Fragebogen“ an, in dem beispielsweise Behauptungen wie „Husten ist eine Form von Liebe.“ mit richtig oder falsch beantwortet werden sollen.

Obwohl die Ausführung der Instruktionen nicht im Zentrum von Fluxus steht, sondern die  Imagination schon selbstgenügend ist, haben es manche von Yoko Onos Anleitungen durchaus auf die Bühne geschafft, so z.B. das „Fahrradstück für Orchester“ und das „Schneidestück“.

Yoko Onos „Grapefruit“ macht Laune, sich mehr mit der Künstlerin auseinanderzusetzen, die man primär als Witwe von John Lennon kennt. Genauso wie die Zitrusfrucht wirken manche Instruktionen etwas sauer – aber sauer macht ja bekanntlich lustig.

Natürlich ist das Büchlein, das in Deutschland 1970 erschien und von Herbert Feuerstein übersetzt wurde, völlig vergriffen. Der Weg in eine gut sortierte Bibliothek lohnt daher definitiv.

Bibliographische Angaben:
Ono, Yoko: „Grapefruit“ (Übersetzung aus dem Englischen: Feuerstein, Herbert), Bärmeier & Nikel, Frankfurt/Main 1970

Sonntag, 22. September 2013

Yoko Ono

Yoko Ono
(Creative Commons Lizenz
Photocredit: Simon Harriyott)
Die Musikerin und Künstlerin Yoko Ono wurde 1933 in Tokio geboren und wuchs zeitweise in den USA auf, bis die Familie 1938 nach Japan zurückkehrte. Yoko Ono wurde musikalisch gefördert, erhielt Klavierunterricht und absolvierte erste Auftritte. Nach der Kapitulation Japans schloss Yoko Ono die Schule ab und begann ein Philosophiestudium, das sie aber abbrach, um in New York weiterzustudieren. Hier belegte sie auch musikalische Kurse.

Als Yoko Ono 1956 den Komponisten Toshi Ichiyanagi heiratete, brach sie ihr Studium erneut ab und zog mit ihm nach New York. Yoko Ono machte sich als Künstlerin einen Namen und zählte zu den Begründern der Fluxus-Bewegung. 1962 trennte sich Yoko Ono von Toshi Ichiyanagi und heiratete den Filmproduzenten Anthony Cox. Als Yoko Ono 1966 in London John Lennon kennenlernte, ließ sie sich von ihrem Noch-Ehemann scheiden, um schließlich 1969 John Lennon das Ja-Wort zu geben. Die beiden banden Kunst in ihr Privatleben ein, wie z.B. mit dem berühmten „Bed-In“ für den Weltfrieden. Gemeinsam waren sie als Fluxus-Künstler aktiv und veröffentlichten mehrere Alben.

Nach der Ermordung von John Lennon im Jahr 1980 zog sich Yoko Ono für einige Zeit aus der Öffentlichkeit zurück. Ab Ende der 80er Jahre wurde sie wieder aktiv.

Yoko Ono lebt heute immer noch im Dakota-Building in New York, vor dem John Lennon erschossen wurde.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Werke und hier rezensiert:

Donnerstag, 19. September 2013

„Reise nach Samarkand“ von Yasushi Inoue

„Die ‚Westlande’ hatte ich in meinen Gedanken bereits zu einer Zeit durchstreift, als die Verwirklichung eines solchen Unternehmens nichts weiter als die hoffnungslose Schwärmerei eines Schülers gewesen war.“ (S. 7)

So beginnt Yasushi Inoue sein Werk „Reise nach Samarkand“, das wie ein Geschichtsbuch wirkt, das in einige wenige eigene Reiseerinnerungen eingebettet ist. Für Europäer klingt „Westlande“ freilich ungewöhnlich. Denn die Westlande in „Reise nach Samarkand“ sind wohlweißlich westlich von China gelegen und daher Ostlande für unsereinen. Genauer: Yasushi Inoue begrenzt den Bereich der Westlande auf den mittleren Bereich Asiens, der zwischen der Wüste Gobi und dem Kaspischen Meer liegt.

Über die geheimnisvollen Westlande weiß Yasushi Inoue einiges zu berichten: Im Jahre 139 vor Christus soll Chang Ch’ien vom chinesischen Kaiser ausgesandt worden zu sein, um ein militärisches Bündnis zu schließen. Doch stattdessen war er gefangen genommen worden und hat während seiner Flucht das Land Ta-yüan bereist, in dem die Pferde Blut schwitzen. Später berichtet man von dem Großen Spiegelsee, an dessen Ufer unheimliche Wesen leben. Entstanden soll der See sein, als ein Mädchen eine Quelle nicht mehr verschloss und das auslaufende Wasser eine Stadt überflutete.

Yasushi Inoue schildert zudem ausführlich, wie die Mongolen und Araber um die Vorherrschaft im Gebiet der Westlande kämpften.

Nichtsdestotrotz wird „Reise nach Samarkand“ primär nur für diejenigen Leser interessant sein, die sich für Geschichte der Westland-Region interessieren. Die Reiseerinnerungen von Yasushi Inoue, der 1965 und 1968 die Westlande bereiste, sind eher Randbemerkungen. Sicherlich bietet „Reise nach Samarkand“ auch einige Mythen und Geheimnisse, die Reisende Jahrhunderte vor Yasushi Inoue über die Westlande festhielten. Doch die „Reise nach Samarkand“ verzaubert nicht, wie der Titel mit dem exotischen Reiseziel implizieren mag.

Bibliographische Angaben:
Inoue, Yasushi: „Reise nach Samarkand“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Mrugalla, Andreas), Suhrkamp, Frankfurt/Main 1998, ISBN 3-518-41001-6

Sonntag, 15. September 2013

„In Nacht und Nebel“ von Morio Kita

Der zweite Weltkrieg neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu, doch die Patienten einer Nervenklinik in Süddeutschland befinden sich nicht aufgrund von Bombardierungen in höchster Lebensgefahr – die Bedrohung kommt von der SS: Die als unheilbar eingestuften Kranken sollen abtransportiert und vergast werden.

Morio Kita, selbst studierter Mediziner, schreibt in seinem mit dem Akutagawa-Literaturpreis ausgezeichneten Kurzroman primär aus der Sicht der behandelnden Ärzte. Da ist Frau Weise, die sich den Patienten auf freundschaftliche Weise verbunden fühlt. Professor Zehrer bricht unter dem Befehl, die Patienten ins Verderben zu schicken, zusammen und wird nie wieder derselbe sein. Dr. von Harras tut, was er kann – wird aber kurz darauf eingezogen. Der Jungmediziner und Kriegsinvalide Setzler leidet unter seiner Tatenlosigkeit, während Radowulf bis in die letzte Faser von der Nazi-Propaganda indoktriniert ist. Und schließlich ist da Kersenbrock, der sich eigentlich am liebsten im Labor verschanzt, nun aber seine Chance wittert, an den Patienten gefährliche medizinische Experimente durchzuführen.

Einer der psychisch Kranken im Spital ist der Japaner Takashima, der unter Wahnvorstellungen leidet – oder verzweifelt er nur an der kranken Nazi-Gesellschaft, in der Juden verfolgt und vergast werden? Takashimas Ehefrau Anna, eine Halbjüdin, wurde inhaftiert und Takashima verzweifelte über diese Ungerechtigkeit, bis er psychisch krank wurde. Aus der Sicht des Japaners wird die Perspektive der Kranken in der Nervenklinik geschildert.

Dass ein Happy End ausgeschlossen ist, wird schon bald klar: Denn Anna – so die offizielle Version – soll Selbstmord begangen haben. Takashima rutscht nach dieser Nachricht noch tiefer in seine Wahnvorstellungen.

„In Nacht und Nebel“ ist sicherlich ein tolles, wenn auch trauriges, manchmal schockierendes Buch. Ich hätte mir aber gewünscht, dass die Motivationen der Personen noch eingehender geschildert worden wären. Dadurch, dass auf den 172 Seiten doch einige eigenwillige Charaktere auftreten, werden manche nur gestreift, wie z.B. der verbitterte Setzler. Aber auch Takashima bleibt recht blass. So hätte mich auch eine ausführlichere Behandlung seiner Wahnideen interessiert. Denn zunächst wirkt Takashima recht normal und es wird nicht recht klar, wie sich das Krankheitsbild bei ihm äußert.

Bibliographische Angaben:
Kita, Morio: „In Nacht und Nebel“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Putz, Otto), Cass, Löhne 2013, ISBN 978-3-9809022-9-8

Samstag, 14. September 2013

„Einfach Midori“ von Midori Goto

„Einfach Midori“ nennt sich die Geigerin Midori Goto und verzichtet auf die Nennung ihres Nachnamens. Denn dass ihre Mutter ihre Karriere frühzeitigst voran getrieben hatte, stieß auf Widerstand des Vaters, namentlich Goto. Dem hatte ein bodenständiges Familienleben vorgeschwebt, was die ehrgeizigen Pläne der Mutter für die Tochter durchkreuzt hatten. Schon früh wurde Midori zu ständigem Üben angehalten, bis Midori ihren „inneren Aufpasser“ entwickelte, der die Mutter in der Rolle der treibenden Kraft ersetzte.

Aufgrund ihres Talents wurde Midori Goto auf der renommierten Juillard School in New York aufgenommen. In ihrer Autobiographie schildert die Geigerin allerhand Probleme, die mit dem Umzug einher gingen: Finanzielle Engpässe, Sprachprobleme und darüber hinaus freilich der Unmut des Vaters. Eine Scheidung von Mutter und Vater sollte folgen.

Der Leser begleitet Midori Goto, wie sie die Karriereleiter immer weiter hinauf klimmte – obwohl sie sich mit der Leiterin der Juillard School überworfen hatte. Doch das harte Leben einer Profi-Geigerin sollte bald große Schatten auf die Seele der jungen Frau werfen. Eine Depression mit einhergehender Essstörung ließ sie pausieren und die Geigerin ließ sich psychiatrisch behandeln.

Die umtriebige Midori Goto fand nicht nur ihren Weg zurück ins Rampenlicht, sondern begann Psychologie zu studieren und zwei Charity-Organisationen zu gründen, die ihrem Leben zusätzlichen Sinn gaben.

Der Ton von „Einfach Midori“ ist recht distanziert, dennoch glaubt man, die Geigerin nach der Lektüre gut zu kennen. Interessant waren für mich insbesondere Midoris Suchen nach passenden Geigen und die Hintergrundinformationen zu den Handelsmechanismen im Geigenmarkt.

Midori Goto präsentiert auch ihr Selbstverständnis als Künstlerin:

„Vielleicht bedeutet Künstler sein, sich einerseits größer als alles andere zu fühlen und sich andererseits seines Menschseins bewusst zu bleiben.“ (S. 219)

Trotzdem bleibt sie bescheiden und gesteht, dass fleißiges Üben die Grundlage ihres Könnens ist.

Bibliographische Angaben:
Goto, Midori: „Einfach Midori“ (Übersetzung aus dem Amerikanischen: Van Volxem, Susanne), Henschel, Berlin 2004, ISBN 3-89487-464-3

Freitag, 13. September 2013

Midori Goto

Die 1971 in Osaka geborene Midori Goto wurde als Wunderkind an der Geige bekannt und ging zwecks musikalischer Ausbildung zusammen mit ihrer Mutter nach New York, um an der Juillard School unterrichtet zu werden. Während ihrer Karriere arbeitete sie mit den ganz Großen des Musikbetriebs zusammen, unter anderem mit Zubin Mehta und Leonard Bernstein.

1995 begann sie mit einem Psychologiestudium an der Gallatin School in New York, das sie im Jahr 2000 als Bachelor abschloss. 2005 erhielt sie den Magistertitel.

2004 erschien ihre Autobiographie „Einfach Midori“, in der sie unter anderem eine Phase des psychischen Zusammenbruchs verarbeitet.

Mit ihren beiden Einrichtungen „Midori & Friends“ und „Music Sharing“ betätigt sich Midori Goto karitativ. 2007 wurde sie von Ban Ki-moon zur Botschafterin des Friedens der Vereinten Nationen ernannt.

Interessante Links:


Ins Deutsche übersetzte Autobiographien und hier rezensiert:

Montag, 2. September 2013

„Die Schwestern Makioka“ von Junichiro Tanizaki

592 Seiten umfasst Junichiro Tanizakis Roman „Die Schwestern Makioka“, der in drei Teile aufgeteilt ist. Er setzt im Jahr 1936 ein und begleitet die vier Schwestern der Familie Makioka, die die beste Zeit schon hinter sich hat. Nach dem Tod des Vaters blieben nur Schulden – doch dank der adoptierten Ehemänner der beiden ältesten Töchter Tsuruko und Sachiko müssen die Schwestern keine Not leiden. Während Tsuruko und ihr Ehemann Tatsuo die Stammfamilie in Osaka bilden, lebt Sachiko mit ihrem Gatten Teinosuke in Ashiya als Zweigfamilie. Die beiden noch unverheirateten Schwestern Yukiko und Taeko bevorzugen entgegen der Tradition den Aufenthalt in Ashiya, wo sie der strengen Behandlung durch die Stammfamilie entgehen können.

Das große Thema, das der Roman behandelt, ist die Verheiratung der zweitjüngsten Schwester Yukiko. Sie ist ruhig, fast schon melancholisch und sehr traditionell eingestellt. Dagegen ist die jüngste Schwester Taeko ein „modern girl“: Sie trägt westliche Kleidung, verdient mit ihrem Hobby, der Herstellung von Puppen, sogar eigenes Geld. Aber auch ganz von ihrem unangepassten Lebensstil abgesehen ist sie das schwarze Schaf der Familie, seitdem sie mit einem verzogenen Juwelierssohn kurzzeitig durchgebrannt war. Zwar waren beide reumütig zu ihren Familien zurückgekehrt, doch der kleine Skandal schlägt sich doch negativ auf Yukikos Heiratschancen nieder.

In „Die Schwestern Makioka“ geschieht viel Alltägliches und auch einiges Tragisches. Primär plätschert der Roman allerdings so dahin und die nicht geringe Seitenanzahl beginnt sich irgendwann ziemlich hinzuziehen. Sicherlich bringt die widerspenstige Taeko ein bisschen Schwung in die Handlung, doch da ein größeres Gewicht auf die vielen erfolglosen Miais von Yukiko liegt, kommt keine Spannung auf. Man ist als Leser bald genauso resigniert wie die Figur der Yukiko.

Interessant an „Die Schwestern Makioka“ ist allerdings, dass der erste Teil, der während des zweiten Weltkriegs erschien, verboten wurde. Selbstbewusste Frauen schienen wohl nicht mit der Kriegspropaganda vereinbar, die den Heldentod in den Mittelpunkt stellte. (Mehr dazu findet sich hier auf der Homepage von Ruth Linhart.)

Wer sich für die im Wandel begriffene Frauenrolle in den 30er/40er Jahren interessiert, der kann sicherlich einiges aus „Die Schwestern Makioka“ herausholen. Mir war der Roman jedoch viel zu langatmig. Dennoch bin ich nach der Lektüre wahrlich froh, nicht als Japanerin in dieser Zeit gelebt zu haben: Ständige Bevormundung durch die Stammfamilie; kein Recht auf eigene Lebensentscheidungen; höchstes Ziel eine Einheirat in eine angesehene Familie; dafür Miais, die an einen Handel mit Tieren erinnern… Das und noch viel mehr zeigt der Roman auf, ohne jedoch Sozialkritik zu üben. Es wird lediglich der Kontrast zwischen der traditionellen Yukiko und der modernen Taeko dargestellt.

Bibliographische Angaben:
Tanizaki, Junichiro: „Die Schwestern Makioka“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Yatsushiro, Sachiko), Rowohlt, Reinbek 1964