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Sonntag, 31. März 2013

„Reißt die Knospen ab…“ von Kenzaburo Oe

„Es war eine Zeit des Mordens. Gleich einem lange andauernden Hochwasser überflutete der Krieg mit seinem kollektiven Wahnsinn die feinsten Verästelungen menschlicher Gefühle, die verstecktesten Winkel ihrer Körper, die Wälder, die Straßen und den Himmel. […]
Es ist der Aufzeichnung wert, dass man in jener Zeit, als wahnsinnige Erwachsene verzweifelt durch die Straßen irrten, mit seltsamer Leidenschaft fortgesetzt Menschen hinter Gitter brachte, die am ganzen Körper eine glatte Haut aufwiesen oder nur einen kastanienbraunen Flaum, Menschen, die sich unerheblicher Vergehen schuldig gemacht hatten, darunter auch welche, denen man lediglich Neigungen zu jugendlicher Kriminalität zuschrieb.“
(S. 14f.)

Mitten in dieser Zeit des Mordens soll ein gutes Dutzend minderjähriger Straftäter aus einer Besserungsanstalt aufs Land evakuiert werden. Doch dem Erzieher fällt es schwer, einen geeigneten Platz für die Kinder und Jugendlichen zu finden – keines der Dörfer, das sie zu Fuß aufsuchen, will sie aufnehmen. Die kleinen Fluchtversuche der Jungs sind für die Katz: Sie werden, verprügelt von Bauern und Polizisten, immer wieder zur Gruppe zurückgebracht. Auch der Ich-Erzähler ist mit seinem jüngeren Bruder auf dem Weg in die Evakuierung. Sein Vater hatte auf die Bitte des Erziehungsheims, man möge die Kinder doch nach Hause nehmen, überraschend reagiert: Statt dem Ich-Erzähler die Entlassung aus der Anstalt zu ermöglichen, hatte er auch noch den jüngeren Bruder dort abgeladen, da er diesen andernfalls nicht hätte selbst evakuieren können.

Schließlich gelingt es dem Erzieher, die Jungs in einem abgeschiedenen Bergdorf unterzubringen. Er selbst verlässt das Dorf im Anschluss, um eine zweite Gruppe jugendlicher Delinquenten dorthin zu begleiten. Die Jungs stoßen währenddessen auf große Ablehnung: Sie werden in ihrer Unterkunft des nächtens eingesperrt und bekommen kein besseres Essen als die Schweine der Bauern. Mit vorgehaltenem Gewehr werden sie zum Arbeiten angehalten: Sie sollen an einer Seuche verstorbene Tiere verscharren. Die Dorfbewohner selbst scheuen die Berührung mit den Kadavern wegen der Ansteckungsgefahr – da kommen die auswärtigen Kleinkriminellen gerade recht, um für sie die Drecksarbeit zu verrichten.

Als auch Menschen an der Seuche sterben, brechen die Dorfbewohner heimlich auf, um in einer anderen Ortschaft Unterschlupf zu finden. Den einzigen Weg aus dem Dorf verrammeln sie, damit die Jungen im Dorf eingesperrt bleiben. Diese sind nun auf sich allein gestellt und müssen ihr Leben selbst organisieren.

In einer Welt, in der die Erwachsenen ohne Mitgefühl agieren, sind es ausgerechnet diese jugendlichen Straftäter, die menschlich bleiben. Sie kümmern sich nicht nur um ein Mädchen, das die Dorfbewohner zurückgelassen haben, sondern scheren sich auch nichts um Vorteile Koreanern gegenüber. Einen gejagten Deserteur nehmen sie ebenfalls in ihren Reihen auf. Wen mal bloß nicht die brutalen Erwachsenen zurückkehren…

Bis auf zwei Personen, nämlich den Kumpan Minami und den Koreaner Li, und einen Hund erhalten die Charaktere in Kenzaburo Oes „Reißt die Knospen ab…“ keine Eigennamen. Da ist die Rede vom Bruder, vom Schmied, vom Dorfschulzen, vom Arzt und vom Deserteur. Damit gelingt es dem Autor, idealtypische Figuren zu schaffen. Insbesondere beim jüngeren Bruder glückt es ihm besonders gut: Wer wie ich selbst einen jüngeren Bruder hat, glaubt in der Figur den eigenen Verwandten wieder zu erkennen und ihn beschützen zu wollen. 

„Reißt die Knospen ab…“ ist (bisher) mein Kenzaburo Oe-Lieblingsroman. Der Roman des Literaturnobelpreisträgers ist ein frühes Werk aus dem Jahr 1958. Zwar wird gerne gesagt, dass Oe erst nach der Geburt seines behinderten Sohns Hikari zu vollster literarischer Größe herangereift ist. Doch mir sind die späteren Romane teilweise zu verkopft. „Reißt die Knospen ab…“ lässt den Leser mühelos in eine Welt eintauchen, die ihm eigentlich sowohl zeitlich als auch räumlich fremd anmuten sollte. Zwar zeichnet der Roman ein recht widerwärtiges Bild der Erwachsenen, doch bleibt die Hoffnung, dass die Knospen der Gesellschaft – die Jugend – nicht vollständig gerupft werden und spätestens nach Kriegsende blühen, um anders zu agieren, als die Generation vor ihnen.

Und noch ein kleiner Tipp für die Lektüre: Bitte möglichst das Inhaltsverzeichnis mit den jeweiligen Kapitelüberschriften ignorieren – Spoilergefahr!

Bibliographische Angaben:
Oe, Kenzaburo: „Reißt die Knospen ab…“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Putz, Otto), Fischer, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14419-1

Samstag, 30. März 2013

„Schnee im Frühling“ von Yukio Mishima

Melancholie, Müßiggang und Träumereien prägen das Leben des 18-jährigen Kiyoaki. Als Sohn eines Marquis kann er sich das auch leisten, denn außer zum Gakushuin, der Eliteschule für Adelige, zu gehen, hat der nicht gerade gelehrige Teenager nicht viel zu tun. Was ihn vielmehr fesselt, ist die obskure Hassliebe zu Satoko, mit der er aufgewachsen ist, um in einer anderen Familie die Verfeinerungen des Hofadels zu erlernen. Die ältere Satoko scheint den jüngeren Kiyoaki nicht für ganz voll zu nehmen und dennoch fühlt auch sie sich zu dem hübschen Jugendfreund hingezogen.

Obwohl die beiden immerhin bereits ein bisschen intim geworden sind, flammt die Liebe in Kiyoaki erst wirklich auf, als Satoko mit einem Prinzen der kaiserlichen Familie verheiratet werden soll. Kiyoaki, der sich ohnehin seit jeher an Sakrilegen erfreuen konnte, spinnt einen Plan, Satoko vor ihrer Verlobung zu verführen – auch wenn er bis dato noch keine sexuelle Erfahrung vorweisen kann.

Kiyoakis einziger Freund, sein Mitschüler Honda, ist so ganz anders als Kiyoaki. Der analytische Honda beschäftigt sich mit (Rechts-)Philosophie und ist gebannt von religiösen Mysterien und ihren Deutungsmöglichkeiten. Honda diskutiert mit dem uninteressierten Kiyoaki die gesellschaftlichen Veränderungen der Taisho-Zeit und ist Kyoakis Stütze während dessen Liebens- und Leidenswegs, der wohl kaum in ein Happy End münden kann.

Dass Kiyoaki dem Autor gleicht, tritt im Laufe der Geschichte immer stärker zu Tage: Genauso wie Yukio Mishima ist Kiyoaki ein hübsches, blasses und eher schwächliches Kind, das nicht bei seinen leiblichen Eltern aufwächst. Er geht ebenso wie der Schriftsteller auf das Gakushuin und drückt sich durch eine fingierte Krankheit vor seinen Pflichten. Und auch eine engere Bekanntschaft zu einer späteren Verlobten und Ehefrau eines Mitglieds des kaiserlichen Hofes kann Yukio Mishima aufweisen: So trug er sich wohl in den 50er Jahren mit dem Gedanken, Michiko Shoda, die spätere Kaiserin Michiko, zu ehelichen.

Für mich nahm „Schnee im Frühling“ ein bisschen zu langsam Fahrt auf. Das wäre zu verkraften gewesen, wenn die Faszination, die das junge Liebespaar für den jeweils anderen empfindet, klar geworden wäre. Es scheint aber, als ob primär die Schönheit des Partners die „Liebe“ entfacht. Ob das nicht ein bisschen zu wenig ist, um gegen die kaiserliche Familie zu opponieren? Mir ist die Figur des unnahbaren Kiyoaki jedenfalls sehr fremd geblieben.

„Schnee im Frühling“ ist der erste Teil der Tetralogie „Das Meer der Fruchtbarkeit“. Ich bin gespannt auf die anknüpfenden Romane „Unter dem Sturmgott“, „Der Tempel der Morgendämmerung“ und „Die Todesmale des Engels“ – aufgrund des Themas der Seelenwanderung wird der eine oder andere Charakter sicherlich erneut seinen Auftritt haben.

Bibliographischen Angaben:
Mishima, Yukio: „Schnee im Frühling“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Schaarschmidt,
Siegfried), Goldmann, München 1987, ISBN 3-442-08856-9

Dienstag, 26. März 2013

„Geisha – Vom Leben jenseits der Weidenbrücke“ herausgegeben von Irmela Hijiya-Kirschnereit

Eine Geisha „umzulegen“ bedeutet in Ryuhoku Narushimas Sinne nicht, was man heutzutage darunter versteht, sondern eher sie „flach zu legen“. Dafür gibt der Autor mit reichlich Freudenviertelerfahrung in seinen „Neue Notizen zu Yanigabashi“ aus dem Jahr 1860 gleich die entsprechenden Tipps. Zu überwinden sind dabei die drei Schwierigkeiten: Erstens sind diese Liederlichkeiten verboten. Zweitens kann sich die Geisha im Gegensatz zur Prostituieren Partner nach eigenem Geschmack aussuchen. Und drittens kann man mit Gewalt bei einer Geisha überhaupt nichts erreichen. Doch es gibt auch die drei Leichtigkeiten: Erstens kann der Kunde an ihre Gefühle appellieren. Zweitens sind Geishas Profis im Flirten und daher zugänglicher als keusche Mädchen. Und drittens sind Geishas sehr wohl auch käuflich. Um bei der Zahl drei zu bleiben – die drei Werkzeuge Geld, Charme und Klugheit führen den Kunden bei geschicktem Einsatz zu seinem Ziel, die Geisha „umzulegen“.

So gibt Ryuhoku Narushima in seinem ersten Buch der „Neue Notizen aus Yanigabashi“ allerhand Einblick in die männliche Kundensicht im Umgang mit Geishas. Im zweiten Buch aus dem Jahr 1874 gibt er einige Anekdoten aus dem Rotlichtviertel zum Besten: Da bringt die eine Geisha mit ihrem flotten Mundwerk zwei Streithähne, die sich an einem politischen Thema festgefressen haben, dazu, sich beim Sake zu versöhnen. Und die andere plappert gar allzu unbekümmert und blamiert den Adeligen aus Kioto.

Die Sicht der Geisha schildert Sayo Masuda in „Geisha – Ein Lebensbericht“. Dieser zweite Teil in „Geisha – Vom Leben jenseits der Weidenbrücke“ ist identisch mit Sayo Masudas „Die letzte Geisha – Eine wahre Geschichte“, die im Insel Verlag erschienen ist. Sayo Masuda wird bereits als kleines Mädchen das erste Mal verkauft – sie soll den Säugling eines Großgrundbesitzers hüten. Sie kennt weder ihren richtigen Namen und ihre Mutter.

Schließlich wird sie von ihrem Onkel an ein Geisha-Haus verkauft. Auf den ersten Blick scheint sie in einen Märchenpalast gelangt zu sein, dessen Bewohnerinnen nur die traumhaftesten Kleider tragen. Doch sie lernt schnell die Härten des Geisha-Dasein kennen – da wird die „große Schwester“ schon einmal mit dem Brenneisen traktiert, wenn sie nicht gehorcht.

Ein drittes Mal wird Sayo verkauft, als ein Yakuza sie als Mätresse haben will. Als sie sich schließlich in einen anderen Mann verliebt und einen Selbstmordversuch begeht, wird sie vor die Tür gesetzt und muss sich in den letzten Kriegsjahren als stigmatisierte Frau durchschlagen, die ihre Geisha-Vergangenheit geheim halten muss. Glück ist Sayo Masuda leider kaum vergönnt. Der traurige Lebensbericht der Autorin, die erst als Erwachsene schreiben gelernt hat, zeigt den schonungslosen Alltag einer Geisha auf, der keinen Platz für romantisierende Verklärung lässt.

Ergänzt werden diese Werke durch ein lesenswertes Nachwort von Michael Stein, der sich nicht nur den Autoren, sondern auch der Geschichte der Geisha-Kultur widmet.

Bibliographische Angaben:
Hijiya-Kirschnereit, Irmela (Hrsg.): „Geisha – Vom Leben jenseits der Weidenbrücke“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Stein, Michael), Insel Verlag, Frankfurt am Main/Leipzig 1998, ISBN 3-458-16891-5

Montag, 25. März 2013

Ryuhoku Narushima


Ryuhoku Narushima
Der Journalist und Essayist Ryuhoku Narushima wurde 1837 als Sohn eines konfuzianischen Gelehrten in Tokio geboren. Im Jahr 1856 trat er in die Fußstapfen seines Vaters und unterrichtete Iesada Tokugawa und Iemochi Tokugawa in konfuzianischer Ethik. Vermutungen gehen dahin, dass er nach dem Verfassen eines Shungats-kritischen Gedichts entlassen und unter Hausarrest gestellt wurde. Im Jahr 1863 bekleidete Ryuhoku Narushima erneut Ämter im Shogunat.

Nachdem Ryuhoku Narushima Englisch gelernt und sich mit westlicher Kultur beschäftigt hatte, ging er in den Jahren 1872 und 1873 auf Europa- und Amerika-Reise. Nach seiner Rückkehr wurde er Chefredakteur der Choya Shimbun und gründete eine Literaturzeitschrift. Als Stammgast schrieb er unter anderem über Tokios Freudenviertel.

1884 starb der Autor.

Ins Deutsche übersetzte Werke und hier rezensiert:

Sonntag, 24. März 2013

„Anatahan – Insel der Unseligen“ von Michiro Maruyama

Heute habe ich mal ganz tief in der Bücherkiste gewühlt: „Anatahan – Insel der Unseligen“ von Michiro Maruyama aus dem Jahr 1954 ist – soweit ich weiß – bisher die einzige deutsche Übersetzung eines Berichts eines japanischen Holdouts. Holdouts waren versprengte Soldaten(-grüppchen), die auf den Inseln des Pazifikraums noch nach der japanischen Kapitulation aushielten, da sie die Nachricht über den beendeten Krieg als perfide gegnerische Propaganda erachteten und sich an den Befehl, bis zum letzten Mann zu kämpfen, halten wollten. Als letzter Holdout gilt Teruo Nakamura, der sich erst Ende 1974 und damit knapp 30 Jahre (!) nach der Kapitulation auf der indonesischen Insel Morotai ergab.

Aber zurück auf Anatahan, eine Marianeninsel 120 Kilometer nördlich von Saipan. Im Jahr 1944 werden drei Versorgungsschiffe der japanischen Armee durch amerikanische Flugzeuge bombardiert. Die Besatzungen retten sich auf die Insel Anatahan, die von Einheimischen und zwei Japanern bewohnt wird. Diese zwei Japaner sind ein Quasi-Ehepaar: Keiko hat ihren Mann verlassen, um mit dem Plantagenverwalter Kusakabe auf Anatahan zu leben. Während sich die einheimischen Frauen vor den Japanern verstecken, entwickelt sich Keiko zu einer Gottesanbeterin. Die Femme Fatale ist das Objekt der Begierde aller 31 männlichen Japaner auf der Insel. Da die militärische Disziplin recht schnell untergraben ist, werden bald tödliche Kämpfe um Keiko ausgefochten.

Michiro Maruyama erzählt die wahre Geschichte um die „Bienenkönigin“ Keiko, die in Realität Kazuko Higa hieß. Michiro Maruyama war Shamisenlehrer, bevor er eingezogen wurde. Zusammen mit seinen Kameraden lebte er sieben Jahre auf Anatahan, bevor sich die Soldaten im Jahr 1951 ergaben. Nicht alle von ihnen konnten nach Japan zurückkehren – ein Drittel war im Lauf der Zeit umgekommen; insbesondere während Streitigkeiten um/mit Keiko. 1953 verfilmte Josef von Sternberg die Geschichte der Holdouts von Anatahan, indem er sich unter anderem auf Michiro Maruyamas Buch stützte.

Freilich ist der Erlebnisbericht von Michiro Maruyama nicht die große Literatur. Soll sie aber sicherlich auch nicht sein. Trotzdem ist „Anatahan – Insel der Unseligen“ enorm spannend, insbesondere da sich diese Story wirklich ereignet hat. Keiko wird zum Todesengel für die Männer, die sie begehrt. Diese können nicht mit ihr, aber auch nicht ohne sie leben, während Keiko die Fesseln der Konventionen auf Anatahan abwirft und ihre Triebe völlig ausleben kann. Die Autorin Natsuo Kirino verarbeitete diesen Stoff für ihren Roman Tokyo-jima, den sie 2008 veröffentlichte.

Wer neugierig geworden ist, der findet auf Tanken.com Zusatzinfos zum Anatahan-Vorfall und Bilder von Kazuko Higa (der originalen Keiko) und der Holdouts - im japanischen Original und in der Google-Übersetzung

Bibliographische Angaben:
Maruyama, Michiro: „Anatahan - Insel der Unglückseligen“, Lothar Blanvalet Verlag, Berlin 1954

Montag, 18. März 2013

„Vierundzwanzig Augen“ von Sakae Tsuboi

In vierundzwanzig Augen leuchtet die Begeisterung der Erstklässler aus dem Dorf am Kap. Ihr erster Schultag ist angebrochen und sie werden von einer ganz besonderen Lehrerin unterrichtet. Auch für die Oishi-Sensei ist es eine Premiere – das erste Mal darf sie eine Klasse unterrichten. Als absolutes Novum in den 20er Jahren kommt die neue Sensei mit einem Fahrrad ins Dorf und trägt sogar noch westliche Kleidung. Wenn das mal keine „wilde“ Lehrerin ist…

Doch leider währt ihr Unterricht im Dorf nicht lange – sie zieht sich eine Verletzung der Achillessehne zu und kann sich den beschwerlichen Arbeitsweg nicht weiter zumuten. Jedoch soll es einige wenige Jahre später ein Wiedersehen zwischen ihr und ihren ersten Schülern geben. Denn Oishi-Sensei unterrichtet sie schließlich in der Mittelschule erneut. Doch schon beginnt die Härte des Lebens einzelne Schüler einzuholen. Da ist zum Beispiel Matsue, deren Mutter nach der Geburt eines Frühchens stirbt. Zunächst wird es Matsue untersagt, weiterhin die Schule zu besuchen, da ihre helfende Hand im Haushalt dringend benötigt wird. Und schließlich wird sie gar an ein Geisha-Haus verkauft.

Noch scheint es so, als ob nur die weiblichen Schülerinnen eine wenig attraktive Zukunft zu erwarten haben. Einige scheiden wie Matsue viel zu früh aus dem Schulsystem aus, einigen wird die weiterführende Schule durch das Elternhaus verwehrt, einige fügen sich in ihr Schicksal als zukünftige Ehefrau und andere brechen mit den Eltern, um die eigenen Ziele zu verfolgen.

Doch der zweite Weltkrieg hat insbesondere für die jungen Männer harte Konsequenzen. Sie werden dazu erzogen, ihr Leben fürs Vaterland zu geben, um im Yasukuni-Schrein als Kriegsheld verehrt zu werden. Auch Oishi-Senseis ehemalige Schüler werden eingezogen. Welcher der jungen Männer wird aus dem Krieg lebend zurückkehren? Und wenn überhaupt: Mit welchen Verletzungen? Die pazifistische Lehrerin erträgt die Kriegsstimmung kaum und muss selbst größte Entbehrungen erleiden und Verluste verkraften.

Ungefähr 20 Lebensjahre begleitet der Leser Oishi-Sensei in Sakae Tsubois „Vierundzwanzig Augen“, während denen sich die Wege der Lehrerin und ihrer ersten Schüler öfters kreuzen. Die Einzelschicksale der Schüler gehen zu Herzen und zeigen die Unbarmherzigkeit der Kriegszeiten auf. Das Leuchten in den vierundzwanzig Augen ist oftmals viel zu früh erloschen.

Interessant an „Vierundzwanzig Augen“ ist darüber hinaus die Entstehung der deutschen Übersetzung: In einem Seminar im Wintersemester 2007/2008 übersetzten Studenten der Universität des Saarlandes unter Leitung von Ryuko Kobayashi-Woirgardt den Roman von Sakae Tsuboi. Eine wirklich beachtliche Leistung, wenn auch an manchen Stellen wie

„ein Satz, aus dem […] aber auch Warmherziges sprach, und der es ihr warm ums Herz werden ließ.“ (S. 168)

noch etwas Feinschliff nötig wäre. Insbesondere da das Japanese Literature Publishing Project höchstwahrscheinlich Budgetkürzungen zum Opfer fällt, ist die Übersetzung über eine Hochschule ein mutiger und wichtiger Vorstoß, deutschen Lesern, die des Japanischen nicht mächtig sind, japanische Literatur zugänglich zu machen.

Bibliographische Angaben:
Tsuboi, Sakae: „Vierundzwanzig Augen“, united p.c. Verlag, Berlin/Neckenmarkt 2013, ISBN 978-3-85040-943-8

Sonntag, 17. März 2013

Sakae Tsuboi

Sakae Tsuboi wurde 1899 als Sakae Iwai auf der Insel Shodo geboren. Als fünftes von zehn Kindern musste sie nach dem täglichen Schulbesuch nebenher als Kindermädchen arbeiten. Nach dem Abschluss des achten Schuljahrs und dem Bankrott des Arbeitgebers ihres Vaters nahm sie eine Stelle im lokalen Postamt an. 1925 ging sie nach Tokio, wo sie den proletarischen Dichter Shigeji Tsuboi heiratete, den sie im Alter von 20 Jahren kennen gelernt hatte. Sie adoptierte eine Tochter einer jüngeren Schwester.

Die Tsubois waren Bespitzelungen ausgesetzt; Shigeji wurde zweimal inhaftiert. Über ihren Mann lernte sie die proletarischen Autorinnen Yuriko Miyamoto und Ineko Sata kennen. Letztere inspirierte sie, eine Kinder- und Jugendgeschichte zu schreiben, die 1938 erschien. Bereits 1928 hatte Sakae Tsuboi „Das Tagebuch der Ehefrau eines proletarischen Schriftstellers“ veröffentlicht, hatte sich dem Schreiben aber aufgrund finanzieller Nöte nicht weiter widmen können.

1952 erschien ihr vielleicht populärster Roman „Vierundzwanzig Augen“, der später verfilmt wurde. Für ihre Jugend- und Erwachsenenliteratur erhielt sie diverse Preise. Ihre Werke für Groß und Klein sind geprägt von ernsten Themen und Sozialkritik.

Im Alter litt Sakae Tsuboi zunehmend an Diabetes und Asthma. 1967 verstarb die Autorin in Folge eines Asthmaanfalls.

Die Präfektur Kagawa verleiht seit 1979 zu Ehren der Literatin den Sakae Tsuboi-Preis, der an Kinder der Präfektur geht.

Interessante Links:

Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Donnerstag, 14. März 2013

„Die Sieben Rosen von Tokyo“ von Hisashi Inoue

Auf über 650 Seiten verfolgt der Leser in Hisashi Inoues „Die Sieben Rosen von Tokyo“ die fiktiven Tagebucheinträge des Fächermachers Shinsuke. Am 25. April 1945 beginnt das Tagebuch, als Shinsukes Familie noch vollzählig in Nezu versammelt ist. Die Entbehrungen während des Kriegs sind groß, was sich auch auf die bevorstehende Hochzeit seiner ältesten Tochter Kinuko auswirkt. Sie kann sich einen Hochzeitskimono ausleihen, auf eine Hochzeitsperücke muss sie allerdings verzichten – die Leihperücken wurden allesamt für Truppentheater requiriert. Doch immerhin sorgt die Familie des Bräutigams dank diverser Schwarzmarktaktivitäten für ein Festmahl, das für die schwierigen Kriegszeiten außerordentlich reichhaltig ausfällt. Ohnehin kann Kinuko froh sein, überhaupt einen Ehemann zu finden, wenn alle jungen Männer als Soldaten an die Front geschickt werden.

Doch der nächste ernste Luftangriff auf Tokio lässt leider nicht lange auf sich warten und fordert viele Opfer in Shinsukes Familie. Der etwas trottelige Shinsuke ist auch weiterhin nicht gerade von Glück gesegnet. Sein frecher Sohn brockt Shinsuke den Abtransport der Fäkalien der Gemeinde ein. Und schließlich wird er gar als Volksverräter denunziert, da es jemand auf sein rares Motordreirad abgesehen hat. Als er aus dem Gefängnis entlassen wird, hat Japan bereits bedingungslos kapituliert und die einstmals verhassten Amerikaner werden nun von seinen Mitbürgern fasst schon vergöttert. Insbesondere Shinsukes Töchter scheinen auf sehr vertrautem Fuße mit einigen einflussreichen US-amerikanischen Militärs zu stehen und versorgen die Familie mit wertvollen Nahrungsmitteln aus den Beständen der ehemaligen Feinde, während in Tokio täglich viele andere Menschen verhungern.

Dass die Töchter sich mit den Amis abgeben, ist Shinsuke ein riesiger Dorn im Auge. Eine treibt sich dann ausgerechnet noch mit dem Sprachwissenschaftler Hall herum, der die japanische Schrift durch das Alphabet ersetzen will. Wenn das nicht einmal die größte Unverfrorenheit der Besatzer ist! Dem muss Shinsuke unbedingt entgegen wirken.

Zwar sorgt die Vereitelung von Halls Alphabetisierungsplänen gegen Ende von „Die Sieben Rosen von Tokyo“ für Spannung, doch über weite Passagen des Romans wird der Alltag während der letzten Kriegsmonate und der ersten Nachkriegsmonate mit den flankierenden Umwälzungen dargestellt: Was tun, wenn die Toilette nicht mehr regelmäßig entleert wird? Wie erfolgt die tägliche Hygiene? Welche Art von Genussmittel steht überhaupt noch zur Verfügung? Wie kommt man an Schwarzmarktware?

Und wie schnell ändern die Menschen ihre politischen Überzeugungen? Wie begehrt die Jugend auf? Und wieso wollen sich die Frauen nach der Kapitulation nicht weiterhin bevormunden lassen?

„Die Sieben Rosen von Tokyo“ gilt als Hisashi Inoues Hauptwerk. 17 Jahre schrieb er an dem Roman, der ursprünglich auf nur einige wenige Folgen, die in der Bungei Shunju erscheinen sollten, ausgelegt war. „Die Sieben Rosen von Tokyo“ schildert auf charmante Weise den kargen (Nach-)Kriegsalltag, während der gebeutelte Shinsuke auf Slapstick-Art durch Tokio stolpert. Dieser Erzählstil, so erfährt man aus einem Hisashi Inoue-Zitat im Nachwort, ist typisch für den Autor:

„Ich möchte Kompliziertes einfach, Einfaches tief, Tiefes lustig und Lustiges ernsthaft beschreiben.“ (S. 653)

Bibliographische Angaben:
Inoue, Hisashi: „Die Sieben Rosen von Tokyo“, Bebra, Berlin 2013, ISBN 978-3-86124-917-7

Mittwoch, 13. März 2013

Hisashi Inoue

Der 1934 in der Präfektur Yamagate geborene Hisashi Inoue wurde im Alter von fünf Jahren mit dem Tod des Vaters Halbwaise. Seine Mutter gab ihn in ein Waisenhaus, das von der Ordensgemeinschaft der Schulbrüder geführt wurde. Daraufhin wurde Hisashi Inoue getauft. Auf Vermittlung der Ordensbrüder begann er an der Sophia Universität von Tokio mit einem Germanistikstudium, das er jedoch für zwei Jahre unterbrach, um als Verwaltungsangestellter in der Präfektur Iwate zu arbeiten. Nachdem er nicht zu einem Medizinstudium zugelassen wurde, schrieb er sich schließlich an der französischen Fakultät der Sophia Universität erneut ein.

Schon als Student schrieb er Stücke für das Varieté Furansu-za. 1964 begann er, Drehbücher für NHK zu schreiben. Ab den späten 60er Jahren machte sich Hisahi Inoue auch mit seinen Theaterstücken einen Namen. 1972 wurde er mit den Naoki-Literaturpreis ausgezeichnet. Es folgten diverse weitere Preise, unter anderem der Kan Kikuchi-Literaturpreis für „Die sieben Rosen von Tokyo“.

Zusammen mit unter anderem Kenzaburo Oe, Shuichi Kato und Makoto Oda gründete er 2010 den pazifistischen „Verein für den Verfassungsartikel 9“. Zeitweise war Hisashi Inoue Vorsitzender des japanischen PEN-Clubs. Er schrieb 56 Bücher; über 12 Millionen Exemplare seiner Werke wurden in Japan verkauft.

Im Jahr 2010 starb Hisashi Inoue an Lungenkrebs.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Montag, 11. März 2013

„Kuhtse der Weizenstampfer“ von Shinji Ishii

Tam, tatam
Das ist der Rhythmus, der Katze durchs Leben begleitet. In seinen Träumen und auf dem Speicher begegnet ihm Kuhtse, der mit seinen schweren Stiefeln Weizen stampft.
Tam, tatam

Katze, der Protagonist und Ich-Erzähler in Shinji Ishiis Roman „Kuhtse der Weizenstampfer“, ist ein überdurchschnittlich großes Kind. Deswegen muss er im Klassenzimmer auch immer ganz hinten sitzen, um seinen Mitschülern nicht die Sicht auf die Tafel zu versperren. Katze hat sicherlich auch einen normalen Namen. Aber jeder nennt ihn Katze, weil er so gut wie eine Katze miauen kann. Mehr noch: Er miaut sogar wie die ideale Katze.

Sein Großvater hat ihm das Miauen beigebracht. Dieser ist mit Katze und dessen Vater in das kleine Hafenstädtchen am Meer gezogen. Seine Mutter hat Katze nie kennen gelernt. Ob sie wohl bei seiner Geburt auseinandergeplatzt ist? Schließlich ist Katze ja für sein Alter ein Riese.

Als die kleine Familie sich in dem Hafenstädtchen nieder lässt, bringt der Großvater erst mal das ortsansässige Orchester auf Trab. Die Musik stiftet den Gemeinschaftssinn der Stadt, das Orchester wird zum Dreh- und Angelpunkt der Nachbarn. Der Hausmeister der Schule ist einer der größten Anhänger des Großvaters. Auf seine alten Tage beginnt er mit dem Komponieren: z.B. die „Serenade für einen jammernden Dinosaurier“ und die „Fanfare für raufende Kinder“. Als es eines Tages jedoch Mäuse in der Stadt regnet, bricht das Chaos in die städtische Idylle herein.

Mit Katze begegnet der Leser den verschiedensten, großartigen Persönlichkeiten. Da wäre der Schmetterlingsmann, ein tätowierter, ehemaliger Profi-Boxer, der nach einem Kampf erblindet ist und zwischenzeitlich ein fantastisches Gehör entwickelt hat. Oder die Schwester des Postdirektors, die nach dem Tod ihres Mannes keine Uhren mehr sehen will und zum Sterben leckere kulinarische Köstlichkeiten zubereiten kann. Oder ein kleinwüchsiger, impotenter Cellist, der am liebsten in einem Bärenoverall herumläuft und Räder schlägt, wenn er begeistert ist. „Kuhtse der Weizenstampfer“ sprüht förmlich vor ausgefallenen Charakteren, die ihre Spleens pflegen.

Der Autor Shinji Ishii entführt mit seinem modernen Märchen „Kuhtse der Weizenstampfer“ in eine Welt voller Musik, Rhythmen und Klängen. Angereichert ist dies mit kleinen, poetischen Lebensweisheiten wie

„Einmal gefallener Regen kann nicht mehr in den Himmel zurückgebracht werden. Wenn Menschen etwas verloren haben, müssen sie dort weitermachen, wo sie nach dem Verlust stehen.“ (S. 180)

und verrückten Anekdoten, die der Hausmeister und Katze aus Journalen zusammensammeln, die ihnen von Matrosen mitgebracht werden. Shinji Ishii verknüpft dies im wahrsten Sinne virtuos und schreibt mit „Kuhtse der Weizenstampfer“ ein Buch, von dem man nicht genug bekommt. Standing Ovations! Und: Bravissimo!

Bibliographische Angaben:
Ishii, Shinji: „Kuhtse der Weizenstampfer“, Bebra, Berlin 2013, ISBN 978-3-86124-916-0

Sonntag, 10. März 2013

Shinji Ishii

Der 1966 in Osaka geborene Autor Shinji Ishii begeisterte sich schon als Schüler für musische Betätigungen. Er spielte Tenorsaxophon in Jazz-Kneipen und wollte nach dem Abitur eigentlich Kunst studieren. Er entschied sich jedoch schließlich für französische Literatur und ging an die Universität von Kioto. Nach seinem Universitätsabschluss arbeitete er als Zeitschriftenredakteur bei Recruit Co. Ltd.

1994 debütierte Shinji Ishii mit seinem ersten Werk „Die Hunde von Amsterdam“. Zwischenzeitlich hat er mehr als 20 Bücher veröffentlicht. Er wurde mehrfach für Yukio Mishima- Literaturpreis nominiert. 2003 erhielt er für „Kuhtse der Weizenstampfer“ den Joji Tsubota-Literaturpreis.

Shinji Ishii pendelt zwischen Kioto, wo seine Familie lebt, und dem Fischerdorf Misaki, wo er sich dem Schreiben widmet.

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Ins Deutsche übersetzte Romane/Erzählungen und hier rezensiert:

„Auf der Suche nach Sharaku“ von Katsuhiko Takahashi

Tsuda ist auf dem Weg zu einer Beerdigung. Er vertritt seinen Professor Nishijima. Freilich will Nishijima nicht selbst zum Begräbnis kommen und schickt lieber seinen Assistenten Tsuda – schließlich ist der Tote Saga einer seiner wissenschaftlichen Todfeinde im Bereich der Ukiyoe-Forschung. Saga hat vermutlich Selbstmord begangen – aus einem relativ banalen Grund: Er scheint Bücher eines Antiquars gestohlen zu haben und wollte der Schande einer Entlarvung zuvor kommen. Dies alles erfährt Tsuda, als er nach den Feierlichkeiten mit seinem ehemaligen Kommilitonen Kokufu in einem Café zusammen sitzt. Unvermutet gesellt sich auch noch der ermittelnde Kommissar Onodera zu der Runde.

Doch Sagas Tod hält für Tsuda aber noch eine weitere Überraschung bereit: Denn aus Sagas Nachlass fällt Tsuda ein alter Bildband in die Hände. Er kann sein Glück kaum fassen – eines der abgebildeten Bilder ist mit „Chikamatsu Shoei alias Toshusei Sharaku“ signiert. Sharaku… Ein regelrechtes Phantom der Ukiyoe-Malerei… Nur zehn Monate hat der Künstler in Edo in den Jahren 1794 und 1895 gewirkt, hat zahlreiche Drucke auf den Markt gebracht und ist danach in der Versenkung verschwunden. Niemand kennt seine Identität. Insbesondere als er von dem deutschen Gelehrten Julius Kurth mit Velazquez und Rembrandt in einer Liga als einer der drei prächtigsten Porträtmaler aller Zeiten bezeichnet wurde, ist der fast ins Vergessene geratene Sharaku im 20. Jahrhundert wieder als künstlerisches Genie gehandelt.

Tsuda glaubt, mit dem Bildband den Schlüssel zu Sharakus wahrer Identität in den Händen zu halten. Kokufu informiert er über seine erstaunliche Entdeckung und geht mit Kokufus Schwester Saeko auf Erkundungsreise nach Akita. Mit detektivischem Spürsinn folgen sie der Fährte und gelangen zu der Überzeugung, das Geheimnis um Sharaku gelüftet zu haben.

Tsuda ist euphorisch und freut sich auf seinen wissenschaftlichen Durchbruch. Doch da hat er die hinterhältigen Mechanismen im Wissenschaftsbetrieb unterschätzt. Es kommt jedoch noch schlimmer: Menschen sterben aufgrund ominöser Unfälle, so dass Tsuda auch die Selbstmordtheorie um Saga in Zweifel ziehen muss.

Katsuhiko Takahashis Kunstkrimi entführt in der ersten Hälfte des Buches in ein Edo der Intrigen und politischen Machenschaften Ende des 18. Jahrhunderts. Kaum glaubt der Leser an des Rätsels Lösung, schon tun sich in der zweiten Hälfte und zurück in der Jetzt-Zeit neue Fragen auf, die manch einem das Leben kosten sollen.

„Auf der Suche nach Sharaku“ ist ein anspruchsvoller Krimi und insbesondere für Kunstinteressierte ein literarischer Leckerbissen. In die Überlegungen von Tsuda fließen allerhand spannende Fakten zu Ukiyoe und der Edo’schen Kunst- und Verlagsszene der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts ein. So begegnet man unter anderem dem Autor Kyoden Santo und den Folgen der Veröffentlichung seiner Darstellungen aus dem Freudenviertel. Sein Verleger Tsutaya verlor die Hälfte seines Vermögens, Kyoden Santo wurde 50 Tage lang in Handfesseln gelegt. Und trotz allem Kunstverstandes mangelt es „Auf der Suche nach Sharaku“ keinesfalls an Spannung.

Bibliographische Angaben:
Takahashi, Katsuhiko: „Auf der Suche nach Sharaku“, Bebra, Berlin 2013, ISBN 978-3-86124-918-4

Samstag, 9. März 2013

Katsuhiko Takahashi

Katsuhiko Takahashi wurde 1947 in der Präfektur Iwate als Sohn eines Samurai-Arztes geboren und wuchs in Morioka auf. Nach dem Abschluss der Oberschule von Iwate besuchte er die Waseda Wirtschaftsuniversität. Nach seiner Graduierung betätigte er sich auf Vermittlung durch seinen Vater als Dozent am Allen Junior College.

1983 debütierte er mit „Auf der Suche nach Sharaku“, dem ersten seiner Ukiyoe-Krimis. Es folgten 1986 „Der Hokusai-Mord“ und 1989 „Hiroshige-Mord“. „Auf der Suche nach Sharaku“ wurde mit dem Edogawa Rampo-Literaturpreis ausgezeichnet.

Das Werk Katsuhiko Takahashis umfasst diverse Genres: Historische Romane, Horror, Liebesgeschichten, Krimis, Science Fiction, Essays und Ukiyoe-Fachliteratur. Er erhielt diverse Literaturpreise, z.B. den Eiji Yoshikawa- und den Naoki-Preis.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Freitag, 8. März 2013

„GO!“ von Kazuki Kaneshiro

„No soy coreano, ni soy japones, yo soy desarraigado“ steht auf dem Buchcover von „GO!“, dem Roman des koreanisch-stämmigen Japaners Kazuki Kaneshiro: „Ich bin weder Koreaner, noch Japaner, ich bin entwurzelt“.

Den spanischen Satz sagt Sugiharas Vater, als Sugihara am liebsten nach Norwegen auswandern will. Denn Sugiharas Vater war vor Jahren in derselben psychischen Verfassung wie Sugihara, der eigentlich Lee mit Nachnamen heißt: Möglichst schnell Japan verlassen, möglichst weit wegfahren – Sugiharas Vater wollte damals nach Spanien. Denn als in Japan geborener Koreaner ist Sugihara zwar in Japan zu Hause, wird hier jedoch als „Ausländer“ nur geduldet und oftmals diskriminiert.

Kazuki Kaneshiros semi-autobiographischer Roman schildert nicht nur die Familiengeschichte und den Werdegang von Sugihara, sondern ist auch eine Liebesgeschichte: Sugihara lernt auf einer Party Sakurai kennen. Da sie auf eine andere Schule wie Sugihara geht, weiß sie nicht, dass er ein Zainichi-Koreaner ist – und er verschweigt ihr dies wohlweislich. Denn was sagt denn eine Staatsangehörigkeit schon aus… Ob die frische Liebe diese Heimlichkeit verkraften wird?

Die Zutaten von „GO!“ klingen erst einmal recht ernst, wenn nicht gar tragisch. Doch die Coming-of-Age-Story sprüht regelrecht vor Witz. Und auch Sugihara, der an seiner Schule als unangenehmer Schläger und Einzelgänger auffällt, wird einem mords sympathisch. Insbesondere der Anfang des Romans erinnert vom Schreibstil etwas an Ryu Murakamis „69“. Die Darstellung von Sugiharas Eltern tut mit schwarzem Humor ein Übriges, um das Amüsement zu erhöhen: So erklärt die Mutter dem Vater augenzwinkernd, sie würde ihm deswegen mehr zu essen geben, damit er endlich an Diabetes erkrankt und hält ihm daraufhin die Headline eines Zeitungsartikels unter die Nase „Teufelsweib mischt gewalttätigem Ehemann wiederholt Arsen ins Abendessen!“, während auf dem Gesicht der „Mutter hinter der Zeitschrift [.] ein Lächeln wie bei Jack Nicholson“ (S. 30) klebt.

Nichtsdestotrotz ist „GO!“ auch eine Kampfansage gegen die Diskriminierung von koreanisch-stämmigen Japanern/in Japan lebenden koreanischen Staatsbürgern. An nationalen Feiertagen gehen die Rechten auf „Koreaner-Jagd“; wer nicht die japanische Staatsbürgerschaft hat, muss sich als Ausländer permanent ausweisen können, sonst drohen empfindliche Strafen; wer auf Auslandsreise gehen will, der muss sich vorab eine „Wiedereinreiseerlaubnis“ holen; Koreaner werden von vielen Japanern ob ihres „unreinen“ Bluts verachtet…

Die Lektüre hat Spaß gemacht! Gut, dass Kazuki Kaneshiro nicht Anwalt, sondern Autor geworden ist!

Bibliographische Angaben:
Kaneshiro, Kazuki: „GO!“, Cass, Löhne 2011, ISBN 978-3-9809022-5-0

Donnerstag, 7. März 2013

Kazuki Kaneshiro

Der Belletristik- und Drehbuchautor Kazuki Kaneshiro wurde 1968 in Kawaguchi als Sohn koreanischer Eltern geboren. Später nahm er die japanische Staatsangehörigkeit an.

Bis zur Mittelschule besuchte Kazuki Kaneshiro Schulen, die von einer Nordkorea nahe stehenden Vereinigung betrieben wurde. Er wechselte dann jedoch auf eine Oberschule, die auch von Japanern besucht wurde. Schließlich studierte er Rechtswissenschaften an der Keio Universität. In seinem ersten Studienjahr beschloss Kazuki Kaneshiro bereits, Schriftsteller zu werden. Auslöser für diese Entscheidung war der Tod seines besten Freundes.

1998 debütierte Kazuki Kaneshiro mit „Revolution No.3“, das den Shosetsu Gendai Shinjin-Literaturpreis gewann. Für seinen semi-autobiographischen Roman „GO!“ erhielt er im Jahr 2000 den Naoki-Preis. Der Roman wurde verfilmt und unter anderem 2001 auf der Berlinale gezeigt. Viele seiner weiteren Werke wurden als Manga oder als Film adaptiert.

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Dienstag, 5. März 2013

„Der Einzeller“ von Mizuko Masuda

„Die isolierten Zellen lebten in der Tat auch einzeln weiter, wenn alle Bedingungen stimmten, weshalb man von unabhängigen Lebewesen sprechen konnte. Doch nach einer gewissen Zeit wurden die Zellwände ungewöhnlich fleischig, das heißt die das Leben schützende Schale wurde zu dick, so dass die Zellen schließlich erstickten, weil sie keine Nährstoffe mehr von draußen aufzunehmen vermochten.“
(S. 118f.)

Der Protagonist in Mizuko Masudas „Der Einzeller“, namentlich Mikio Shiiba und Student der Agrarwissenschaften gleicht einer solchen isolierten Zelle: Mit fünf Jahren wurde er nach dem Tod seiner Mutter Halbwaise. An diese Mutter fehlt Mikio jegliche Erinnerung. Das Zusammenleben mit dem Vater entbehrte jeglicher Wärme und war primär von Zweckmäßigkeit geprägt. Deswegen litt Mikio auch nicht sonderlich, als er mit 16 Jahren auch noch den Vater verlor. Und so schlug sich Mikio fortan einigermaßen alleine durch. Rückhalt gab ihm primär die Schule und im Anschluss die Universität – ein Platz, der berechenbar ist und ihm Sicherheit bietet.

Doch Mikio kommt in eine Krise, als er nicht wie erwartet eine universitäre Karriere nach seinem Studienabschluss einschlagen kann. Zum ersten Mal in seinem Leben verreist er und mietet sich in einem abgelegenen Gasthof ein. Einerseits um seine Gedanken zu ordnen, andererseits um seine Abschlussarbeit zu Papier zu bringen. Das Thema der Arbeit ist das Verhalten von isolierten Zellen: Diese neigen dazu, sich wieder zusammen zu ballen – oder sich eben ein dickes Fell zuzulegen in der Gefahr, alleine zu ersticken.

Mikio, eine verloren wirkende Seele, trifft in dem Gasthof auf Ryoko, die sich genauso alleingelassen fühlt wie Mikio. Kurzerhand zieht sie bei ihm ein – nicht jedoch um sich gegenseitig eine Stütze zu sein, sondern um gemeinsam einsam zu sein.

Ein bisschen mag die Handlung auch an Haruki Murakami erinnern: Ein Loser-Typ in einer Krisensituation trifft auf eine geheimnisvolle Frau; ein Familiengeheimnis gibt es on top. Jedoch fehlen freilich die fantastischen Elemente, die Haruki Murakamis Romane auszeichnen. Auch ist die Darstellung insgesamt realistischer, insbesondere was die Beschreibung des Loser-Typs Mikio betrifft. Er kommt einfach nicht aus seiner Haut.

Mizuko Masuda traf 1986 mit der Veröffentlichung von „Der Einzeller“ den Nerv der Zeit: Single-Gesellschaft, auseinander brechende Familienverhältnisse, Vereinsamung waren Themen, die dem Roman in Japan große Beachtung bescherten. Doch sicherlich ist „Der Einzeller“ noch immer aktuell – Mikio gehört bereits in den 80ern dem Prekariat an.

Bibliographische Angaben:
Masuda, Mizuko: „Der Einzeller“, Abera Verlag, Hamburg 2013, ISBN 978-3-939876-00-7

Montag, 4. März 2013

Mizuko Masuda

Zunächst studierte die 1948 geborene Mizuko Masuda Agrarwissenschaften an der Universität für Landwirtschaft und Technologie Tokio. 1973 schloss sie ihr Studium ab und ging als Forschungsassistentin an die Nippon Medizinhochschule. 1977 debütierte sie mit der Erzählung „Eine posthume Beziehung“, die für den Shincho-Literaturpreis nominiert wurde. Sie wurde insgesamt sechs Mal für den Akutagawa-Preis nominiert. Sie erhielt unter anderem 1986 den Kyoko Izumi-Preis für „Der Einzeller“.

Mizuko Masuda gibt an, dass die elterlichen Gute-Nacht-Geschichten, die ihr als Kind erzählt wurden, ihre Imaginationsgabe gefördert haben.

Mizuko Masuda wird in die „leere Generation“ eingeordnet: Eine Generation, die mit massiven Ungewissheiten und Unverständlichkeiten zu Recht kommen musste. Mizuko Masudas Protagonisten sind meist Außenseiter, die sozial isoliert sind.

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Sonntag, 3. März 2013

„Seit jenem Tag“ herausgegeben von Narihiko Ito, Siegfried Schaarschmidt & Wolfgang Schamoni

„Gegen Abend
hocken am Flussufer
Menschen mit aufgequollenen Gesichtern
schwach ganz schwach atmend
zu ihren Füßen
aus dem Wasser ragend
der Kopf eines Kindes
das Gesicht entstellt
in den schmalen Augen
der Widerschein der sinkenden Sonne
still
und grausam
keine Hilfe gewährend“
(Tamiki Hara: „Gegen Abend“, S. 119)

„Seit jenem Abend“ versammelt erschütternde Zeugnisse der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki: Dokumentarische Berichte, Gedichte und Prosa der Autoren Sankichi Toge, Yoko Ota, Tamiki Hara, Shinoe Shoda, Sadako Kurihara, Mitsuko Yoshioka, Toshiko Machida, Mitsuharu Inoue, Chihoko Koura, Makoto Oda, Yuriko Taki und Azuma Konda.

Sankichi Toge, der sich während seiner Suche nach Verwandten und Bekannten einer großen Dosis der Sekundärstrahlung aussetzte und 1953 starb, verfasste mit seinen „Erinnerungsnotizen“ ein Tagebuch des Grauens aus den Notlagern, in denen Verletzte notdürftig behandelt wurden.

Tamiki Hara schrieb kurz nach dem Atombombenabwurf seine „Aufzeichnungen aus den Tagen, als wir Atombombenopfern wurden“, wie am 06. August 1945 urplötzlich das Chaos über Hiroshima hereinbrach. Seine Erzählung „Sommerblumen“ gilt als ein Hauptwerk der Atombombenliteratur: Der Ich-Erzähler ist zum Zeitpunkt des Abwurfs auf der Toilette, als ihn ein Schlag am Kopf trifft. Doch zum Glück stürzt das stabile Haus nicht wie die Gebäude in der Nachbarschaft ein. Feuer bricht aus und der Ich-Erzähler bricht mit seiner Familie zum Fluss auf, wo sich bereits viele Flüchtlinge versammelt haben. Hier sterben die Menschen wie die Fliegen. Die Körper dunsen auf, das Gesichter verformen sich zu einer undefinierbaren Masse. Durch die Nacht gellen die Todesschreie…

Ebenfalls gleich nach dem Atombombenabwurf verfasste Yoko Ota „Ein Licht wie auf dem Meeresgrund“; einen Erlebnisbericht, der am 30. August 1945 in der Asahi Shimbun erschien, noch bevor die US-amerikanische Zensur des „press code“ die Veröffentlichung von Atombombenliteratur verhindern konnte. Auch Yoko Ota hatte den Morgen zu Hause verbracht und musste sich erst einmal durch das zerstörte Gebäude nach draußen kämpfen, um im Anschluss vor den ausbrechenden Feuern zu fliehen. Drei Tage verbringt sie mit anderen Flüchtlingen am Unterlauf des Otagawa und erlebt das Sterben um sich.

1952 ließ sich Yoko Ota in eine psychiatrische Klinik einweisen. Die Erzählung „Ein halber Mensch“ basiert auf diesem Aufenthalt: Atsuko, eine bekannte Atombombenliteratin, ist seit dem Atombombenabwurf, dessen Opfer sie geworden war, zerrissen, nur noch ein halber Mensch. Sie hat Angst, wie Tamiki Hara zu enden, der sich aufgrund der weltpolitischen Entwicklungen und der Gefahr eines erneuten Einsatzes der Atombombe das Leben nahm. Deswegen unterzieht sie sich einer Schlaftherapie in der Hoffnung, ihre schrecklichen Erlebnisse vergessen zu können.

Inoue Mitsuharu ist mit zwei Erzählungen in „Seit jenem Tag“ vertreten. „Die Mädchen aus dem ‚Haus der Hände’“ sind Waisenmädchen aus Nagasaki, die nach dem Atombombenabwurf in dem „Haus der Hände“ untergebracht wurden. In dieser christlichen Institution helfen sie beim Töpfern. Als einige der aufgewachsenen Waisenmädchen schließlich heiraten, zeigen sich die Folgen des Atombombenabwurfs: Es scheint ihnen nicht vergönnt zu sein, gesunde Kinder zu gebären. Doch nicht nur das macht sie zu Außenseitern: Im Dorf des „Haus der Hände“ leben ausschließlich „verborgene Christen“, die seit dem Verbot des Christentums im 16. Jahrhundert im Geheimen ihren mit buddhistischen Elementen angereicherten christlichen Glauben pflegten.

In „Die Nacht davor“ lässt Mitsuharu Inoue die Normalität in der Nacht vor dem Atombombenabwurf Revue passieren: Eine junge Frau liegt in den Wehen, ihre Schwester heiratet. Dem Leser schaudert bei dem Gedanken, dass diese Normalität am nächsten Morgen abrupt zerbrechen wird.

Chihoko Koura beschreibt in „Erosion“, wie sie als Atombombenopfer die jährliche Gedenkfeier in Hiroshima erlebt. Als Hibakusha fühlt sie sich isoliert in der Menge der Menschen, die den Abwurf nicht selbst erlebt haben.

„You American!“ ist ein Kapitel aus Makoto Odas Roman „Hiroshima“ und beschreibt das Schicksal eines amerikanischen Kriegsgefangenen, der zur Zeit das Atombombenabwurfs in Hiroshima inhaftiert ist.

An manchen Stellen hat mir „Seit jenem Tag“ die Tränen in die Augen getrieben. Das Ausmaß der Atombombenabwürfe bleibt abstrakt, wenn man von soundsoviel hunderttausend Toten und Verletzten spricht. Doch erst die faktischen Erlebnisse von Einzelnen führen einem das Grauen vor Augen. Und das sicherlich nur in Ansätzen, die aber schon völlig ausreichen, einem Schauer über den Körper zu jagen.

Bibliographische Angaben:
Ito, Narihiko/Schaarschmidt, Siegfried/Schamoni, Wolfgang (Hrsg.): „Seit jenem Tag“, Fischer, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-596-25862-6

Samstag, 2. März 2013

Mitsuharu Inoue

Mitsuharu Inoue wurde 1926 in der Mandschurei geboren. Im Alter von vier Jahren wurde er in Japan bei Verwandten untergebracht; zunächst in Inari und dann in Sasebo. Mit dreizehn Jahren begann er eine Lehre zum Stahlarbeiter. Im Anschluss betätigte er sich als Bergarbeiter und Funkwellentechniker.

1945 trat Mitsuharu Inoue in die Kommunistische Partei Japans ein. 1947 begann er zu Schreiben. Seine kritischen Werke richteten sich gegen Krieg, Militarismus, Stalinismus, Tenno-System und Diskriminierung (unter anderem der von Hibakusha). Dadurch eckte er mit der Parteilinie an und trat 1953 wieder aus der KP aus. 

In einer mit anderen Schriftstellern gegründeten Literaturzeitschrift publizierte Mitsuharu Inoue seine Werke. Ab 1977 gründete er insgesamt 13 Literaturschulen, die von Kyushu bis Hokkaido reichten, um das soziale Bewusstsein seiner Landsleute zu stärken. Mitsuharu Inoue unterrichtete hier auch selbst.

1992 starb er an Krebs. Seine letzten Lebensmonate inklusive einer Operation an der Leber wurden durch ein Filmteam begleitet. Die Dokumentation „Zenshin Shosetsuka“ sollte den sozial engagierten Autor ursprünglich über ein Jahrzehnt begleiten, was durch die Krebskrankheit Mitsuharu Inoues verhindert wurde.

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Freitag, 1. März 2013

Yoko Ota

Yoko Ota gehört zu den Autoren der Atombombenliteratur, die sich schon vor den Bombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki als professionelle Schriftsteller betätigten.

Sie wurde 1903 als Hatsuko Fukuda in Hiroshima geboren. Schon früh las sie Takuboku Ishikawa, Shusei Tokuda, Goethe, Heine und Tolstoi. 1926 ging sie auf Einladung von Kan Kikuchi nach Tokio, um dort als Journalistin zu arbeiten. 1929 begann sie, Belletristik zu schreiben. 1940 erhielt sie einen Literaturpreis der Asahi Shimbun.

Im Januar 1945 kehrte sie nach Hiroshima zurück, wo sie den Atombombenabwurf erlebte, der ihr weiteres literarisches Schaffen prägte. Ihr erstes Werk als Hibakusha schrieb sie einen Monat nach dem Abwurf in Kujima, einem Ort ca. 20 Kilometer von Hiroshima entfernt, wohin viele Überlebende flüchteten. In der Angst, jeden Moment an den Strahlungsschäden sterben zu können, hetzte sich Yoko Ota mit der Niederschrift und benutzte selbst Shoji-Fetzen und Toilettenpapier als Schreibmaterial.

Die Autorin befand sich zeit Lebens in dem Zwiespalt, die Atombombenabwürfe dokumentieren, aber gleichzeitig den eigenen Erinnerungen entfliehen zu wollen. Sie galt als Außenseiterin in der japanischen Literaturszene.

1963 starb Yoko Ota an einem Herzinfarkt, als sie in einer heißen Quelle in Inawashiro badete.

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