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Sonntag, 28. April 2013

„Zufluchtsort“ von Yoshikichi Furui

Eine kleine Einzimmerwohnung wird für Sae und Iwasaki zum „Zufluchtsort“. Die Protagonisten aus „Der Heilige“ treffen sich zwei Jahre nach ihrer Trennung auf dem Land in Tokio wieder. Zwischenzeitlich hat Sae ein Kind abgetrieben, das von Iwasaki gezeugt wurde. Sie entwickelt bereits manische Tendenzen: Ihre Wohnung putzt sie nach der Abtreibung blitzeblank, hat kaum soziale Kontakte außerhalb ihres Arbeitsplatzes.

Erst nach zwei Jahren meldet Sae sich bei Iwasaki – und wird bald erneut schwanger von ihm. Sie ist zerrissen, ob sie eine erneute Abtreibung vornehmen lassen soll oder mit Iwasaki eine Familie gründen soll. Nach einigem Ringen entscheidet sie sich für letztere Variante. Iwasaki gibt seine eigene Wohnung auf, zieht zu Sae und heiratet sie. Während Sae ohnehin keine Eltern mehr hat, stehen Iwasakis Eltern der Ehe kritisch gegenüber. Sie sollen Recht behalten: Sae verhält sich immer irrationaler, leidet unter Verfolgungswahn. Iwasaki gibt schließlich seine Arbeit auf, um sich ganz um Sae und die gemeinsame Tochter Sachiko zu kümmern. In Sae flammt immer wieder Hass auf, der auf die Außenwelt gerichtet zu sein scheint. Dies zieht körperliche Auseinandersetzungen nach sich, in der sich Sae und Iwasaki gegenseitig Blessuren zufügen. Auch ein hinzu gezogener Arzt kann das irrsinnige Eheleben nicht verbessern. Schließlich beginnt auch Iwasaki, sich irrational zu verhalten.

Ich gebe zu, dass ich mich durch Yoshikichi Furuis „Zufluchtsort“ eher durchgequält habe. Die Handlungen der verrückten Sae ziehen sich zäh hin und man fragt sich immer öfter, was Iwasaki eigentlich in dieser Ehe hält, warum er diese überhaupt eingegangen ist. Liebe scheint die Eheleute jedenfalls noch nie wirklich verbunden zu haben. Und auch das gemeinsame Kind erscheint nicht wie ein Bindeglied. Iwasaki gibt sich vielmehr ganz in die Situation und bleibt primär passiv mit einer Tendenz zum Masochismus. Der bisher so starken Sae nimmt man den plötzlichen Kontrollverlust irgendwie nicht so ganz ab.

„Zufluchtsort“ ist nach „Der Heilige“ der zweite Teil einer Trilogie. Der dritte Teil „Die Eltern“ ist derzeit noch nicht ins Deutsche übersetzt.

Bibliographische Angaben:
Furui, Yoshikichi: „Zufluchtsort“ (Übersetzung aus dem Japanischen: May, Ekkehard), Bebra, Berlin 1996, ISBN 3-86124-280-X

Montag, 22. April 2013

„Wellen“ von Yuzo Yamamoto

Das Faible für japanische Literatur stellt einen manchmal vor ungewohnte Herausforderungen. Im Fall von Yuzo Yamamotos „Wellen“ wären dies die Drucklettern aus dem Jahr 1939. Das kleine S und F gleichen sich doch sehr und die geschnörkelten Versalien sind mehr als gewöhnungsbedürftig. Nach einigen Seiten wird der Lesefluss flüssiger, aber einige Worte bringen ihn immer wieder zum Stocken.

Darüber hinaus ist Yuzo Yamamotos „Wellen“ aber auch thematisch ein außergewöhnliches Werk. Für die 20er Jahre wirkt der Roman außerordentlich modern: Die Protagonisten werfen viele traditionelle Normen über Bord, Frauen handeln selbstbestimmt und gestalten ihren Lebensweg individualistisch. Manchmal wirken die Männer gar als das „schwache Geschlecht“.

Protagonist von Yuzo Yamamotos „Wellen“ ist der Lehrer Kosuke, der mit seiner ehemaligen Schülerin Kinuko verheiratet ist. In diese Ehe ist er eher unfreiwillig hineingerutscht. Als Kinuko von ihrem Vater als Geisha verkauft wurde, war sie bald darauf aus dem Geishahaus geflohen und hatte bei Kosuke um Hilfe gebeten. Kosuke hatte den Vorwand angegeben, mit Kinuko verlobt zu sein, um sie nicht in das Geishahaus zurückschicken zu müssen. So wurde die Ehe schließlich auch eingegangen. Doch die junge Kinuko ist nicht die Richtige für eine Ehe mit dem Lehrer. Sie brennt bald mit einem Verehrer durch. Zwar kehrt sie zu Kosuke zurück, doch stirbt sie bei der Geburt des ersten Kindes. Kosuke kann sich nicht sicher sein, ob Susumu tatsächlich sein eigenes Fleisch und Blut oder ein Kuckuckskind ist. Er benutzt den Wasserkäfer als Metapher, um seine Situation als allein erziehender Vater zu beschreiben:

„Es stand da, dass das Männchen die Eier, welche das Weibchen gelegt hat, auf dem Rücken tragen muss. Und da ihm die Schalen, auch nachdem die Jungen ausgekrochen sind, auf dem Rücken haften bleiben, so könne das Männchen durch diese Belastung nun nie wieder fliegen, obgleich es sich früher, als es noch allein war, frei in der Luft bewegt habe.“ (S. 92)

„Wellen“ umfasst mehrere Lebensjahre von Kosuke, in denen er seinen Sohn aufzieht und einigen unterschiedlichen Frauen begegnet, die ihren Lebensweg eigenständig gestalten und allein bestreiten. Der deutsche Untertitel „Ein Liebes- und Eheroman aus dem Japan von heute“ geht daher recht fehl: Zwar verliebt sich Kosuke durchaus und auch führt er zeitweise eine Ehe, doch sind dies allenfalls Randhandlungen. „Wellen“ ist vielleicht einer der frühesten Romane über einen modernen, allein erziehenden Vater, der versuchen muss, Beruf und Kindeserziehung gleichzeitig gerecht zu werden. Daher verblüfft nicht nur das Jahr der Entstehung des japanischen Originals anno 1928, sondern auch die deutsche Veröffentlichung 1939, als den Nationalsozialisten ein Frauenbild vorschwebte, das den weiblichen Figuren in Yuzo Yamamotos „Wellen“ diametral entgegen stand.

Bibliographische Angaben:
Yamamoto, Yuzo: „Wellen“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Sakurai, Waitsi), Deutsche Verlags-Expedition, Stuttgart 1939

Sonntag, 21. April 2013

Yuzo Yamamoto

Yuzo Yamamoto wurde 1887 als Sohn eines Kimonohändlers in Tochigi geboren. Eigentlich hätte Yuzo Yamamoto das Geschäft seines Vaters übernehmen sollen, doch der literarisch begabte Sohn setzte sich durch und studierte schließlich an der kaiserlichen Universität von Tokio Germanistik.

1920 veröffentlichte er sein erstes Theaterstück. Zusammen mit Kan Kikuchi und Ryunosuke Akutagawa gründete er einen Schriftstellerverband, der die staatliche Zensur kritisierte. Yuzo Yamamoto gilt als Mitbegründer des japanischen „Neuen Theaters“. Seine Romane sind von liberalem Denken geprägt.

Bert Brechts „Die Judith von Shimoda“ basiert auf einem Stück von Yuzo Yamamoto.

1965 erhielt Yuzo Yamamoto den japanischen Kulturorden. 1974 starb der Autor und Dramatiker in Atami.

Interessante Links:

Hier rezensiert:

Weitere ins Deutsche übersetzte Romane:
    • Shinjitsu ichiro - Der rechte Weg

    Dienstag, 16. April 2013

    „Unter dem Sturmgott“ von Yukio Mishima

    Susanoo ist der shintoistische Sturmgott, der Gott der Zerstörung. Yukio Mishimas Protagonist Isao ist ganz vom Geiste Susanoos beseelt: Nur Zerstörung, Attentate können Japans Weg in den Abgrund stoppen. Der junge Mann verortet sich im rechten Milieu und hat Feuer für den Göttersturm-Bund gefangen, der in der Meiji-Ära gegen das Militär vorgegangen war und den wenig aussichtsreichen Kampf mit Seppuku beendete. Isao begeistert sich für die „Lauterkeit“ der Aufständischen – und hebt einen eigenen Geheimbund aus. Als Ziele ihrer Attentate werden raffgierige, unpatriotische Industrielle ausgemacht, die das gemeine Volk ausbluten lassen.

    Isao ist der Sohn von Inuma, der zeitweilig als Erzieher von Kiyoaki tätig war, der dem Leser im ersten Teil von Mishimas Tetralogie „Das Meer der Fruchtbarkeit“, in „Schnee im Frühling“ begegnet ist. Kiyoakis bester Freund Honda ist zwischenzeitlich Richter in Osaka und trifft auf Isao, als er einen Vorgesetzten als Ehrengast bei einem Kendo-Turnier vertritt: Auf einem heiligen Berg will sich Honda unter einem Wasserfall reinigen, wo sich bereits der junge Kendo-Kämpfer Isao wäscht. So entdeckt Honda an Isao dieselben Leberflecke, die er auch an Kiyoaki gesehen hat. Mehr noch – hatte Kiyoaki nicht vor seinem Tod gesagt, Honda würde ihn ganz bestimmt unter einem Wasserfall wieder sehen? Der rationale Honda kommt sich wie vor den Kopf geschlagen vor. Ist Isao womöglich die Wiedergeburt Kiyoakis? Dass ausgerechnet ein entschlossener, patriotischer Kendo-Kämpfer die Wiedergeburt des frevlerisch veranlagten Müßiggängers Kiyoakis sein soll, mutet besonders gewagt an. Insbesondere da Kiyoaki Kendo-Kämpfer verachtet hatte.

    „Unter dem Sturmgott“ ist eine etwas beschwerliche Lektüre. Da ist zum einen der Bericht über den Göttersturm-Bund: Mehr als 50 Seiten werden dem sinnlosen Gemetzel gewidmet, das mit mannigfaltigem eigenhändigem Bauch-Aufschlitzen beendet wird. Hinzu kommen Isaos ausführlichste Überlegungen zur „Lauterkeit“, die irgendwann ziemlich ermüdend werden. Diese Detailliertheit der Gefühlslage steht in krassem Gegensatz zu den letzten Seiten des Romans, auf denen die Beweggründe des Protagonisten kaum mehr thematisiert werden. Zwar mag Isao dem Prinzip, dass Denken und Handeln eines sind, folgen – doch kann man als Leser die Motive dieses Handelns nur erahnen.

    Ich gebe auch gerne zu, dass mir der Kult um Seppuku, die Todessehnsucht Isaos hinsichtlich Yukio Mishimas eigenem Aufstand mit anschließendem Seppuku umso suspekter ist.

    Bibliographische Angaben:
    Mishima, Yukio: „Unter dem Sturmgott“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Schaarschmidt, Siegfried), Hanser, München/Wien 1986, ISBN 3-446-14628-8

    Sonntag, 14. April 2013

    „Spiel mit dem Fahrplan“ von Seicho Matsumoto

    Der Beamte Sayama und die Serviererin Otoki werden tot am Strand von Kashii gefunden. Neben ihnen eine Flasche, die mit Zyankali versetzten Orangensaft enthalten hat. Die Polizei tippt schwer auf Doppelselbstmord. Doch zwei Beamte, Torigai und Mihara, der erste aus der Provinz, der zweite aus Tokio, glauben nicht an die Selbstmordtheorie. Denn obwohl Sayama und Otoki beobachtet wurden, wie sie Tokio gemeinsam verlassen haben, scheinen die beiden kein romantisches Liebespaar gewesen zu sein. Kannten sie sich überhaupt, bevor sie die Reise zusammen antraten?

    Da der tote Sayama in einen Korruptionsfall verwickelt war, ermittelt Mihara in Tokio auch in diese Richtung: Wer könnte von Sayamas Tod profitiert haben? Sicherlich dessen Vorgesetzter im Ministerium. Doch der hat ein wasserdichtes Alibi.

    Und was hat es mit dem Geschäftsmann Yasuda, der zu Otokis Stammkundschaft zählte und ausgerechnet auf dem turbulenten Bahnhof von Tokio zusammen mit zwei von Otokis Kolleginnen die Abreise der zwei Todeskandidaten gesehen haben mag?

    Seicho Matsumoto baut in „Spiel mit dem Fahrplan“ ein vertracktes Rätsel auf, das aus zwielichtigen Alibis und verschiedensten Zugfahrten besteht. Nebenbei flicht der Autor noch eine sozialkritische Komponente ein: Die Beamten im Ministerium werden klein gehalten und durch Gefälligkeiten an ihre Vorgesetzten gebunden. In der Hoffnung, doch noch irgendwann Karriere zu machen, sind sie dem Chef in Treue völlig ergeben – bis sie dessen Fehltritte und Affären gar mit dem eigenen Selbstmord zu decken bereit sind.

    Seicho Matsumotos „Spiel mit dem Fahrplan“ ist sicherlich so konstruiert, dass des Rätsels Lösung vom Leser kaum zu erahnen ist. Dennoch ist der Roman eher mäßig fesselnd, was daran liegen mag, dass man mit den Charakteren keinerlei Sympathie entwickelt.

    Bibliographische Angaben:
    Matsumoto, Seicho: „Spiel mit dem Fahrplan“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Kim, Buccie &  Shimomura, Edith), Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1987, ISBN 3-596-28230-6

    Montag, 8. April 2013

    „83 Tage – Der langsame Strahlentod des Atomarbeiters Hisashi Ouchi“ von Hiroshi Iwamoto/NHK-TV

    Hiroshi Iwamoto dokumentiert mit „83 Tage – Der langsame Strahlentod des Atomarbeiters Hisashi Ouchi“ den Strahlenunfall, der am 30. September 1999 in einer Kernbrennstoffanlage in Tokaimura zwei Arbeiter verstrahlte und sie in einen langsamen, qualvollen Tod schickte. Der Autor, der für die NHK eine Reportage über den Strahlentod von Hisashi Ouchi drehte, gießt dessen erschütternde Krankheitsgeschichte mit „83 Tage – Der langsame Strahlentod des Atomarbeiters Hisashi Ouchi“ in Buchform.

    Am 30. September 1999 sind Hisashi Ouchi und sein Kollege Masato Shinohara gerade dabei, mit einem Stahleimer Uranlösung abzufüllen. Ohne zu wissen, dass diese Maßnahme höchst gefährlich war und auch nicht den Sicherheitsbestimmungen entsprach, erreichte die Uranlösung die Kritikalität – Ouchi und Shinohara wurden durch Neutronenstrahlung verstrahlt.

    Ouchi wurde ins Universitätsklinikum von Tokio verlegt, wo ihn eine ganze Bandbreite von medizinischen Experten behandeln sollte. Während Ouchi zunächst noch fit wirkte und die Krankenschwestern vermuteten, ihn tatsächlich eines Tages gesund entlassen zu können, durchlebte Ouchi in seinen letzten Tagen ein unsägliches Martyrium. Denn die Strahlung hatte seine Chromosomen komplett zerstört – eine Zellbildung war nicht mehr möglich. Die Haut, die verstrahlt war, ging ab und konnte sich nicht mehr regenerieren. Ouchis Körpervorderseite lag nach einigen Tagen blutend frei. Ebenso erging es der Magen- und Darmschleimhaut: An eine Verdauungsfunktion war irgendwann nicht mehr zu denken; die Organe sonderten nur noch Blut ab. Der Patient verlor schließlich pro Tag 10 Liter Blut und Flüssigkeit, die durch Transfusionen ersetzt werden mussten. Diverseste Medikamente, die unter anderem Infektionen verhindern und den Blutdruck konstant halten sollten, wurden Ouchi zudem verabreicht. 83 Tage Leid ohne Hoffnung auf Heilung...

    Doch nicht nur die Leidensgeschichte von Hisashi Ouchi wird in Hiroshi Iwamotos Dokumentation eingefangen. Auch die Ärzte und Pfleger kommen zu Wort. Sie sind gefangen in Hilflosigkeit und Zweifel. Wie lässt sich gegen einen derartig übermächtigen Gegner wie der Strahlung ankämpfen? Und macht es denn noch Sinn, Ouchi weiterhin am Leben zu erhalten, ihn zu reanimieren, wenn doch alle Körperfunktionen langsam aber sicher auszusetzen drohen? Wird sein Leid nur unnötig in die Länge gezogen?

    „83 Tage – Der langsame Strahlentod des Atomarbeiters Hisashi Ouchi“ ist alles andere als eine angenehme Sonntagslektüre. Die Dokumentation schockiert mit medizinischen Details und zeigt eindrücklich die Hilflosigkeit des Menschen gegenüber der unbeherrschbaren Kraft der Strahlung auf. Wenn das Höllentor erst einmal aufgestoßen ist, ist jede Hoffnung vergebens...

    Bibliographische Angaben:
    Iwamoto, Hiroshi/NHK-TV: „83 Tage – Der langsame Strahlentod des Atomarbeiters Hisashi Ouchi“ (Übersetzung aus dem Englischen: Wegberg, J.T.A.), Redline Verlag, München 2011, ISBN 978-3-86881-315-9

    Sonntag, 7. April 2013

    „Die letzten Kilometer eines Traums“ von Hiroshi Sunada

    David gegen Goliath, Taxifahrer gegen Automobilkonzern. Das sind die wesentlichen Zutaten von Hiroshi Sunadas „Die letzten Kilometer eines Traums“; einem Roman, der in Japan für ein jugendliches Publikum erschien, sich aber in der Kompass-Reihe des Verlags Neues Leben an Erwachsene richtet.

    Der 25-jährige Taxifahrer Takeuchi hat den Traum, seine Schwester vom Land nach Tokio holen zu können, um ihr eine Ausbildung als Kosmetikerin zu ermöglichen. Dafür knausert er bei seinen täglichen Ausgaben und hat bereits ein nettes Sümmchen angespart. Doch als ihm der kleine Mamoru mit dem Fahrrad vors Taxi fährt, ändert sich Takeuchis Leben schlagartig. Denn die Lenkung des Taxis blockiert und Takeuchi fährt Mamoru an; verletzt ihn lebensgefährlich. Während der Autohersteller den Mangel des Fahrzeugs vehement abstreitet, bleiben Mamorus Eltern auf den Kosten für die Intensivpflege des Sohnes sitzen. Schlimmer noch – wird Mamoru jemals wieder aus seinem Koma erwachen, wenn er nicht die allerbeste Betreuung erhält?

    In Takeuchi reift ein Plan, wie er Mamorus Pflege auf kriminellem Wege von dem Automobilkonzern finanziert bekommt.

    Der einfach geschriebene Roman wettert gegen das zunehmende Automobilaufkommen, die damit verbundene Umweltverschmutzung und vermehrte Unfälle mit Todesfolge. Mit der Figur eines vietnamesischen Arzts führt Hiroshi Sunada auch Amerika-Kritik in sein Werk ein: Der junge Arzt, der in Japan praktiziert, weigert sich, die bemannte Apollo-Landung auf dem Mond im Jahr 1969 live zu verfolgen, während seine Landsleute in der Heimat von US-Amerikanern getötet werden. Seit er an einer Friedensdemonstration teilgenommen hat, hat er einen Aktenvermerk bei der japanischen Polizei. Der Wert des Romans liegt daher wohl weniger in einer spannenden Handlung, sondern vielmehr in einer Zeitskizze, die die Schaffung von Neuland, Wirtschaftswachstum, Wiederaufrüstung, Landflucht, den Vietnam-Krieg und die Mondlandung umfasst.

    Bibliographische Angaben:
    Sunada, Hiroshi: „Die letzten Kilometer eines Traums“ (Übersetzung: Simon, Andreas), Verlag Neues Leben, Berlin 1987

    Samstag, 6. April 2013

    Hiroshi Sunada

    Hiroshi Sunada hat sich vor allem als Kinder- und Jugendbuchautor einen Namen gemacht. 1933 geboren und in Südkorea aufgewachsen, kehrte er nach dem Krieg in die Heimat seines Vaters, in die Präfektur Yamaguchi zurück.

    Hiroshi Sunada studierte an der Waseda-Universität Romanistik. Sechs Jahre arbeitete er als Lektor in einem Verlag in Tokio. 1961 veröffentlichte er sein erstes Buch.

    Sein Roman „Die letzten Kilometer eines Traums“ wurde mit dem japanischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet.

    Von 1981 bis 1984 dozierte Hiroshi Sunada an der Universität der Präfektur Yamaguchi. Von 2000 bis 2006 fungierte er als Präsident des japanischen Kinder- und Jugendbuchverbands.

    2008 starb Hiroshi Sunada 74-jährig an Magenkrebs.

    Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

    Donnerstag, 4. April 2013

    „Fly, Daddy, Fly“ von Kazuki Kaneshiro

    Ein Element aus Kazuki Kaneshiros „Fly, Daddy, Fly“ erinnert stark an seinen Roman „GO!“: Da gibt es einen jugendlichen Zainichi-Koreaner, der verdammt gut in Kampfsport ist und dem die Aura des einsamen Wolfs anhängt. Doch diesmal ist das Kampfsport-Ass nicht der Protagonist des Romans. Das ist der unspektakuläre Ich-Erzähler; der 47-jährige Angestellte Hajme Suzuki. Dessen Leben verläuft in geregelten Bahnen bis er eines Tages nach der Arbeit ins Krankenhaus fahren muss: Seine Tochter ist in einer Karaoke-Bar von dem jugendlichen Boxer Ishihara verprügelt worden und musste ärztlich behandelt werden.

    Im Hospital wird Hajme gleich von Ishiharas Lehrern abgefangen: Hajme soll möglichst keinen Wind um die Affäre machen – schließlich könnte er die sportliche Laufbahn des Jungens gefährden. Zunächst scheint es so, als würde der brave Angestellte das Ansinnen schlucken. Doch als seine Tochter das Vertrauen in den Vater zu verlieren beginnt, sieht Hajme rot. Er schnappt sich ein Küchenmesser und macht sich in die Schule des Boxers auf. Dummerweise geht der verzweifelte Hajme auf die falschen Schüler los – doch der dilettantische Attentäter wird elegant von dem Kampfsportler Sun-shin Pak entwaffnet. Zu Hajmes Überraschung sind die Schüler gar nicht sauer auf ihn, sondern bieten ihm ihre Hilfe an: Sie wollen ihn einige Wochen trainieren, damit Hajme Mann gegen Mann gegen Ishihara antreten kann.

    So wird Hajme aus seinem Alltag gerissen. Mit Sun-shin Pak trainiert der schwabbelige Angestellte täglich, um sich Schritt für Schritt für den Kampf fit zu machen. Sein Ehrgeiz ist geweckt, seine Wut brodelt – aber ob er es mit einem jugendlichen Boxer, der Jahr für Jahr Titel gewinnt, aufnehmen kann? Als Randthema wird aber auch Sun-shin Paks Diskriminierung als Zainichi-Koreaner gestreift, was dem Roman eine ernste Note verleiht.

    „Fly, Daddy, Fly“ schildert humorvoll die Wandlung des Hajme, der es sich noch mal beweisen will. Auch wenn ich bei „GO!“ mehr Spaß hatte, war auch die Lektüre von „Fly, Daddy, Fly“ amüsantes Entertainment. Der Schluss war mir zwar ein bisschen zu dick aufgetragen, was den Lesegenuss aber nicht getrübt hat.

    Bibliographischen Angaben:
    Kaneshiro, Kazuki: „Fly, Daddy, Fly“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Busson, Katja), Cass Verlag, Löhne 2012, ISBN 978-3-9809022-7-4

    Dienstag, 2. April 2013

    „Shizukos Tochter“ von Kyoko Mori

    Kyoko Moris „Shizukos Tochter“ wird eher als Jugendroman gehandelt, wobei die Thematik so traurig ist, dass ich persönlich das Buch keinem Jugendlichen empfehlen würde: Das erste Kapitel beschreibt den Selbstmord der Ehefrau und Mutter Shizuko. Shizukos Ehe ist zerrüttet, der Ehemann hat sich eine Geliebte angeschafft, verbringt kaum noch Zeit mit Ehefrau und Tochter und ist ohnehin mit besonders wenig sozialer Kompetenz ausgestattet. Im Falle einer Scheidung würde Shizukos Tochter Yuki bei ihrem Ehemann bleiben müssen, wie es die japanische Tradition vorsieht.

    Yuki, für die die Mutter ein und alles war, wird durch den Selbstmord ihrer Mutter in ein hassenswertes Familienleben katapultiert: Der Vater heiratet ein Jahr nach dem Selbstmord der Mutter seine Geliebte, die jegliche Erinnerungsstücke an Shizuko aus Yukis Zuhause tilgen möchte. Gesprochen wird nur noch das allernötigste, da die Stimmung angespannt ist. Um ein harmonisches Familienleben vorzugaukeln, wird Yuki von ihrer Verwandtschaft mütterlicherseits abgeschirmt.

    „Shizukos Tochter“ ist sehr einfach geschrieben, um sicherlich auch einem jugendlichen Publikum gerecht zu werden. Besonders Blumen werden immer wieder zum Auslöser für die Charaktere, sich an die Verstorbene oder an vergangene Erlebnisse zu erinnern. Das Thema des Todes zieht sich durch den ganzen Roman; Yuki kann den Selbstmord ihrer Mutter einfach nicht überwinden.

    „Shizukos Tochter“ zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass der Roman stark autobiographisch geprägt ist. Trotzdem reflektiert die Autorin auch das Schicksal der Geliebten und späteren (bösen) Stiefmutter: Auch sie hat große Opfer gebracht und bezahlt ihre Affäre damit, dass sie keine eigenen Kinder mehr bekommen kann, als sie endlich als Ehefrau legitimiert wird.

    Bibliographische Angaben:
    Mori, Kyoko: „Shizukos Tochter“ (Übersetzung aus dem Englischen: Steinberg, Sabine), Econ, Berlin/Düsseldorf 1993, ISBN 3-612-27095-8

    Montag, 1. April 2013

    Kyoko Mori

    Die Autorin Kyoko Mori (geboren 1957 in Kobe) wurde von ihrer Mutter schon früh angeleitet, sich kreativ auszudrücken. Ein einschneidendes Geschehnis war für die 12-jährige Kyoko Mori der Selbstmord der Mutter. Ihr Vater heiratete ein Jahr später erneut, jedoch war das Familienleben mit der Stiefmutter für Kyoko Mori nicht harmonisch. Sie versuchte, viel Zeit außerhalb ihres Zuhauses zu verleben und verbrachte 1973 ein Studienjahr in Arizona, um 1977 schließlich in die USA auszuwandern. Im Jahr 1984 promovierte sie an der Universität von Wisconsin.

    1990 kehrte sie das erste Mal nach dreizehnjähriger Abwesenheit für einen Besuch nach Japan zurück.

    1993 publizierte Kyoko Mori ihren ersten Roman „Shizukos Tochter“, den sie auf Englisch verfasst hatte. Es folgten weitere Romane und Essays, die zum großen Teil in Japan spielen bzw. einen Japan-Bezug aufweisen. Ein Hauptthema ihrer Werke ist der Selbstmord ihrer Mutter.

    Derzeit unterrichtet Kyoko Mori an der George Mason Universität in Fairfax.

    Interessante Links:

    Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert: