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Sonntag, 10. März 2013

„Auf der Suche nach Sharaku“ von Katsuhiko Takahashi

Tsuda ist auf dem Weg zu einer Beerdigung. Er vertritt seinen Professor Nishijima. Freilich will Nishijima nicht selbst zum Begräbnis kommen und schickt lieber seinen Assistenten Tsuda – schließlich ist der Tote Saga einer seiner wissenschaftlichen Todfeinde im Bereich der Ukiyoe-Forschung. Saga hat vermutlich Selbstmord begangen – aus einem relativ banalen Grund: Er scheint Bücher eines Antiquars gestohlen zu haben und wollte der Schande einer Entlarvung zuvor kommen. Dies alles erfährt Tsuda, als er nach den Feierlichkeiten mit seinem ehemaligen Kommilitonen Kokufu in einem Café zusammen sitzt. Unvermutet gesellt sich auch noch der ermittelnde Kommissar Onodera zu der Runde.

Doch Sagas Tod hält für Tsuda aber noch eine weitere Überraschung bereit: Denn aus Sagas Nachlass fällt Tsuda ein alter Bildband in die Hände. Er kann sein Glück kaum fassen – eines der abgebildeten Bilder ist mit „Chikamatsu Shoei alias Toshusei Sharaku“ signiert. Sharaku… Ein regelrechtes Phantom der Ukiyoe-Malerei… Nur zehn Monate hat der Künstler in Edo in den Jahren 1794 und 1895 gewirkt, hat zahlreiche Drucke auf den Markt gebracht und ist danach in der Versenkung verschwunden. Niemand kennt seine Identität. Insbesondere als er von dem deutschen Gelehrten Julius Kurth mit Velazquez und Rembrandt in einer Liga als einer der drei prächtigsten Porträtmaler aller Zeiten bezeichnet wurde, ist der fast ins Vergessene geratene Sharaku im 20. Jahrhundert wieder als künstlerisches Genie gehandelt.

Tsuda glaubt, mit dem Bildband den Schlüssel zu Sharakus wahrer Identität in den Händen zu halten. Kokufu informiert er über seine erstaunliche Entdeckung und geht mit Kokufus Schwester Saeko auf Erkundungsreise nach Akita. Mit detektivischem Spürsinn folgen sie der Fährte und gelangen zu der Überzeugung, das Geheimnis um Sharaku gelüftet zu haben.

Tsuda ist euphorisch und freut sich auf seinen wissenschaftlichen Durchbruch. Doch da hat er die hinterhältigen Mechanismen im Wissenschaftsbetrieb unterschätzt. Es kommt jedoch noch schlimmer: Menschen sterben aufgrund ominöser Unfälle, so dass Tsuda auch die Selbstmordtheorie um Saga in Zweifel ziehen muss.

Katsuhiko Takahashis Kunstkrimi entführt in der ersten Hälfte des Buches in ein Edo der Intrigen und politischen Machenschaften Ende des 18. Jahrhunderts. Kaum glaubt der Leser an des Rätsels Lösung, schon tun sich in der zweiten Hälfte und zurück in der Jetzt-Zeit neue Fragen auf, die manch einem das Leben kosten sollen.

„Auf der Suche nach Sharaku“ ist ein anspruchsvoller Krimi und insbesondere für Kunstinteressierte ein literarischer Leckerbissen. In die Überlegungen von Tsuda fließen allerhand spannende Fakten zu Ukiyoe und der Edo’schen Kunst- und Verlagsszene der 90er Jahre des 18. Jahrhunderts ein. So begegnet man unter anderem dem Autor Kyoden Santo und den Folgen der Veröffentlichung seiner Darstellungen aus dem Freudenviertel. Sein Verleger Tsutaya verlor die Hälfte seines Vermögens, Kyoden Santo wurde 50 Tage lang in Handfesseln gelegt. Und trotz allem Kunstverstandes mangelt es „Auf der Suche nach Sharaku“ keinesfalls an Spannung.

Bibliographische Angaben:
Takahashi, Katsuhiko: „Auf der Suche nach Sharaku“, Bebra, Berlin 2013, ISBN 978-3-86124-918-4

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