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Sonntag, 24. März 2013

„Anatahan – Insel der Unseligen“ von Michiro Maruyama

Heute habe ich mal ganz tief in der Bücherkiste gewühlt: „Anatahan – Insel der Unseligen“ von Michiro Maruyama aus dem Jahr 1954 ist – soweit ich weiß – bisher die einzige deutsche Übersetzung eines Berichts eines japanischen Holdouts. Holdouts waren versprengte Soldaten(-grüppchen), die auf den Inseln des Pazifikraums noch nach der japanischen Kapitulation aushielten, da sie die Nachricht über den beendeten Krieg als perfide gegnerische Propaganda erachteten und sich an den Befehl, bis zum letzten Mann zu kämpfen, halten wollten. Als letzter Holdout gilt Teruo Nakamura, der sich erst Ende 1974 und damit knapp 30 Jahre (!) nach der Kapitulation auf der indonesischen Insel Morotai ergab.

Aber zurück auf Anatahan, eine Marianeninsel 120 Kilometer nördlich von Saipan. Im Jahr 1944 werden drei Versorgungsschiffe der japanischen Armee durch amerikanische Flugzeuge bombardiert. Die Besatzungen retten sich auf die Insel Anatahan, die von Einheimischen und zwei Japanern bewohnt wird. Diese zwei Japaner sind ein Quasi-Ehepaar: Keiko hat ihren Mann verlassen, um mit dem Plantagenverwalter Kusakabe auf Anatahan zu leben. Während sich die einheimischen Frauen vor den Japanern verstecken, entwickelt sich Keiko zu einer Gottesanbeterin. Die Femme Fatale ist das Objekt der Begierde aller 31 männlichen Japaner auf der Insel. Da die militärische Disziplin recht schnell untergraben ist, werden bald tödliche Kämpfe um Keiko ausgefochten.

Michiro Maruyama erzählt die wahre Geschichte um die „Bienenkönigin“ Keiko, die in Realität Kazuko Higa hieß. Michiro Maruyama war Shamisenlehrer, bevor er eingezogen wurde. Zusammen mit seinen Kameraden lebte er sieben Jahre auf Anatahan, bevor sich die Soldaten im Jahr 1951 ergaben. Nicht alle von ihnen konnten nach Japan zurückkehren – ein Drittel war im Lauf der Zeit umgekommen; insbesondere während Streitigkeiten um/mit Keiko. 1953 verfilmte Josef von Sternberg die Geschichte der Holdouts von Anatahan, indem er sich unter anderem auf Michiro Maruyamas Buch stützte.

Freilich ist der Erlebnisbericht von Michiro Maruyama nicht die große Literatur. Soll sie aber sicherlich auch nicht sein. Trotzdem ist „Anatahan – Insel der Unseligen“ enorm spannend, insbesondere da sich diese Story wirklich ereignet hat. Keiko wird zum Todesengel für die Männer, die sie begehrt. Diese können nicht mit ihr, aber auch nicht ohne sie leben, während Keiko die Fesseln der Konventionen auf Anatahan abwirft und ihre Triebe völlig ausleben kann. Die Autorin Natsuo Kirino verarbeitete diesen Stoff für ihren Roman Tokyo-jima, den sie 2008 veröffentlichte.

Wer neugierig geworden ist, der findet auf Tanken.com Zusatzinfos zum Anatahan-Vorfall und Bilder von Kazuko Higa (der originalen Keiko) und der Holdouts - im japanischen Original und in der Google-Übersetzung

Bibliographische Angaben:
Maruyama, Michiro: „Anatahan - Insel der Unglückseligen“, Lothar Blanvalet Verlag, Berlin 1954

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