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Donnerstag, 19. Juli 2012

„Die sinkende Sonne“ von Osamu Dazai

Die Nachkriegsjahre versprechen für eine Adelsfamilie nichts Gutes: Der Sohn Naoji ist noch nicht von der Armee zurückgekehrt und gilt als vermisst. Die verwitwete Mutter muss zusammen mit der Tochter Kazuko den angestammten Familiensitz verlassen – mangels Einkünfte wird das Haus in Tokio verkauft. Stattdessen ziehen die beiden Frauen in ein kleines, abgeschiedenes Häuschen auf der Halbinsel Izu. Die Mutter beginnt ihren Lebensmut zu verlieren und harrt primär aus, um die Rückkehr des Sohnes abzuwarten.

Doch als Naoji endlich zurückkehrt, gestaltet sich das Zusammenleben zu dritt immer schwieriger. Das Geld wird knapper und knapper. Nach dem Willen eines Onkels soll Kazuko verheiratet oder zum Arbeiten in eine andere Familie geschickt werden. Naoji treibt sich mit seinen Schriftstellerkollegen in Tokio herum und verprasst Geld beim Saufen. Schließlich steht es um die Gesundheit der Mutter immer schlechter – sie stirbt als eine der letzten noblen Aristokratinnen Japans.

Naoji führt sein Lotterleben weiter, bis er diesem endgültig ein Ende setzt. Kazuko hingegen fühlt sich zu Liebe und Revolution berufen und bricht auf in eine selbstbestimmte Zukunft fernab der Konventionen.

Naoji gebührt nicht die Hauptrolle in „Die sinkende Sonne“. Kazuko ist die zentrale Figur, die ganz auf sich allein gestellt ihren Weg in der modernen Gesellschaft sucht und hoffentlich findet. Als Vorlage diente dem Autor Osamu Dazai das Tagebuch der Adeligen Shizuko Ota, mit der er eine Affäre und die gemeinsame Tochter Haruko hatte. Damit klärt sich auch die Frage, wie der Autor heißt, von dem sich Kazuko unbedingt ein Kind wünscht...

Bibliographische Angaben:
Dazai, Osamu: „Die sinkende Sonne“, Hanser, München 1958

Mittwoch, 18. Juli 2012

„Das Grab der Leuchtkäfer“ von Akiyuki Nosaka

Neben der gleichnamigen Erzählung enthält Akiyuki Nosakas „Das Grab der Leuchtkäfer“ ein weiteres Werk mit „Algen aus Amerika“.

Als wahrscheinlich bekannteste Erzählung Akiyuki Nosaka gilt wohl „Das Grab der Leuchtkäfer“. Die Geschichte ist stark autobiographisch gefärbt: Nach dem Tod der Mutter musste der damals 14-jährige Autor die letzten Kriegsmonate allein für sich und seine kleine Schwester sorgen. Seine Schwester starb an Unterernährung.

„Das Grab der Leuchtkäfer“ setzt mit den letzten Stunden im Leben des Kriegswaisen Seita ein. Er stirbt in einer Bahnhofshalle in seinen Exkrementen, bevor ihn staatliche Hilfen erreichen hätte können und vor den Augen seiner Mitmenschen, die Seita bereits abgeschrieben haben. Eine Rückblende beleuchtet die letzten Kriegsmonate: Seitas Mutter stirbt an den Folgen von Verbrennungen, die sie sich im Bombenhagel zugezogen hat. Seita ist nun für seine kleine Schwester Setsuko verantwortlich. Einige Wochen kommen sie bei einer Tante unter, die die Geschwister aber zunehmend als Last empfindet. Seita und Setsuko ziehen daraufhin in ein Erdloch um. Unfähig, sowohl sich als auch die Schwester zu ernähren, muss Seita zusehen, wie Setsuko immer schwächlicher wird und schließlich an Unterernährung stirbt. Nur die Leuchtkäfer begleiten die Geschwister während ihrer letzten Monate: Sie sorgen für ein bisschen Licht in der Erdhöhle und wohnen der Verbrennung von Setsuko bei. Als Setsukos Knochen achtlos nach Seitas Tod auf dem Boden landen, geben ihnen nur die Leuchtkäfer ein letztes Geleit.

Dank des Nachworts von Irmela Hijiya-Kirschnereit wird die Doppeldeutigkeit des Wortes „Leuchtkäfer“ klar – im Japanischen mit den Zeichen für „vom Himmel fallendes Feuer“ geschrieben und damit auf den Bombenhagel verweisend. „Das Grab der Leuchtkäfer“ ist ein trauriges Zeugnis der Grausamkeit des Krieges, der die Mitmenschen kalt werden lässt. Durch den nüchternen Schreibstil wird die Kälte zudem unterstrichen – es geht nur noch ums blanke Überleben.

Die zweite Erzählung „Algen aus Amerika“ setzt sich mit der Amerika-Allergie auseinander, die der Protagonist Toshio empfindet. Als 14-jähriger hat er den Beginn der Landung der amerikanischen Soldaten in Japan miterlebt – und wie er und seine Landsleute zu Bettlern um Kaugummi wurden. Als seine Ehefrau Kyoko das US-amerikanisches Pärchen der Higgins, das sie im Urlaub kennen gelernt hat, nach Japan einlädt, wird Toshio mit seinen Ressentiments konfrontiert. Den US-amerikanischen Soldaten konnte der damalige Teenager Toshio nichts anhaben – doch Herrn Higgins möchte er irgendwie in die Knie zwingen. Entweder durch Alkohol oder durch Sexabenteuer…

„Algen aus Amerika“ schlägt mehr in die Richtung von „Japanische Freuden“ und streut Salz in die Wunde der japanisch-amerikanischen Beziehungen.

Bibliographische Angaben:
Nosaka, Akiyuki: „Das Grab der Leuchtkäfer“, Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-13109-9

Dienstag, 17. Juli 2012

„Drachen und tote Gesichter“ herausgegeben von Janwillem van de Wetering

Neben einer kurzen Erzählung des Herausgebers Janwillem van de Wetering enthält „Drachen und tote Gesichter“ Werke der Autoren Junichiro Tanizaki, Masako Togawa, Ryunosuke Akutagawa, Edogawa Rampo, Yasushi Inoue, Yukio Mishima, Kyotaro Nishimura, Tohru Myoshi und Tadao Sohno.

Junichiro Tanizaki widmet sich in „Der Dieb“ dem Psychogramm eines Langfingers.

Masako Togawas „Der Vampir“ zeichnet eine verstörende Situation: Jiro mit der Blutgruppe AB-Rhesus-negativ hat eine besondere Stellung im Schlafsaal inne, denn sein Blut ist besonders selten. Im Gegensatz zu den anderen wird er nur selten zum Vampir zur Blutspende geschickt. Dem folgt meist die Abnahme von „weißem Blut“ durch die Krankenschwester. Als einer von Jiros Kollegen aus dem Schlafsaal flieht, wird die Situation nicht nur für die Krankenhausangestellten immer brenzliger.

Ryunosuke Akutagawas „Der Höllenschirm“ führt in ein höfisches Milieu zu einem Maler, der besonders realgetreu malen kann, wenn er das entsprechende Modell vor sich hat. Als er einen Wandschirm mit einem Höllenmotiv bemalen soll, wird sein Vorgehen immer entsetzlicher.

Edogawa Rampos tragischer Held in „Die verspiegelte Hölle“ hängt einer Besessenheit nach: Er ist fasziniert von Spiegeleffekten und Linsen. Was zunächst als harmlose Spielerei in Form von Zaubertricks beginnt, endet im Wahn.

Der „Vollmond“ begleitet Yasushi Inoues Protagonisten bei Aufstieg und Fall.

„Tod im Hochsommer“ bei Yukio Mishima: Eine Mutter verliert bei einem Badeurlaub sowohl zwei Kinder als auch die Schwägerin. Selbstvorwürfe und ein Ehemann, der mit der Situation nicht so recht umgehen kann, begleiten Tomoko lange Zeit, bis sie sich von dem Schock und dem Verlust langsam erholen kann.

„Der freundliche Erpresser“ taucht in Shinkichis Friseurladen auf. In Kyotaro Nishimuras Erzählung muss der unglückliche Friseur ordentlich Geld bluten für eine blutige Angelegenheit der Vergangenheit.

„Der Brief aus der Vergangenheit“ lässt Tohru Myoshis Protagonisten nicht mehr los: Der Zeitungsredakteur wittert seine Chance, einen als Selbstmord deklarierten Mord aufzuklären. Um seine Karriere anzuschieben, fängt er auf eigene Faust an, zu ermitteln.

Als ein menschlicher Schädel im Müll gefunden wird, soll eine „Rekonstruktion eines Gesichts“ erfolgen. Tadao Sohnos Held Koike wird damit beauftragt, dem Schädel sein menschliches Aussehen zurück zu geben. Aus einer unerwarteten Richtung kommt ihm dabei Unterstützung zu Gute.

In „Drachen und tote Gesichter“ findet sich ein kurzweiliges Potpourri von Erzählungen japanischer Autoren. Jedoch irritiert die Auswahl des mit „Japanische Kriminalstories 1“ untertitelten Bandes etwas. Wenn man unter Kriminalstories Geschichten versteht, die sich um die Aufklärung eines Verbrechens drehen, dann gehören die Erzählungen von Ryunoskue Akutagawa, Edogawa Rampo, Yasushi Inoue und Yukio Mishima hier nicht dazu. Mein persönliches Highlight: „Der Vampir" von Masako Togawa.

Bibliographische Angaben:
van de Wetering, Janwillem (Hrsg.): „Drachen und tote Gesichter“, Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-43036-3

Montag, 16. Juli 2012

„Mutter wo bist du“ von Soh Aono

Soh Aono, dessen leibliche Mutter gestorben ist, als er zwei Jahre alt war, spürt ihr in „Mutter wo bist du“ nach. Der Autor, der seine Mutter in der Frau sah, die ihn aufzog und an die er im Gegensatz zu seiner leiblichen Mutter Erinnerungen hat, nutzt seine älteren Geschwister, um an mehr Informationen über seine Mutter zu kommen: Wie hat die Mutter ausgesehen? Wie hat die Stimme der Mutter wohl geklungen – so wie die seiner älteren Schwester? Was lässt sich aus ihren Briefen herauslesen? Und es quälen ihn die Gewissensbisse: Hat die Mutter die Geburt des letzten Sohnes gar so ausgemergelt, dass sie nach Kriegsende sterben musste?

Die Suche nach der Mutter reflektiert sich in der Gegenwart: So untersucht er seine eigene Vaterrolle und die der Mutter seines zweijährigen Sohnes. Auch der Ich-Erzähler führt genauso wie dessen Vater eine recht eigentümliche Beziehung. Während der Vater des Protagonisten zwei Frauen hatte und nur wenig Zeit mit der Mutter des Erzählers verbringen konnte, verbringt auch dieser nur wenig Zeit mit der Mutter seines Kindes und seinem Sohn.

„Mutter wo bist du“ ist ein äußerst ruhiger Roman, der ohne Höhepunkte dahin fließt. In gemächlichem Tempo gibt der Autor Einblick in seine Familiengeschichte und sein Beziehungsleben, das recht unkonventionell wirkt. Als der Ich-Erzähler glaubt, von einem Geist besucht worden zu sein, erinnert man sich ein kleines bisschen an Banana Yoshimoto.

„Mutter wo bist du“ ist ein außergewöhnliches Gewirk aus Vergangenheit und Gegenwart, doch führen die Spiegelungen in der Gegenwart auch eine gewisse Zähigkeit mit sich, was leider langweilig wirken kann.

Bibliographische Angaben:
Aono, Soh: „Mutter wo bist du“, Bebra, Berlin 2009, ISBN 978-3-86124-906-1

Sonntag, 15. Juli 2012

Soh Aono

Soh Aono (manchmal auch: So Aono) wurde 1943 in Tokio als unehelicher Sohn eines Literaturkritikers geboren. Seine leibliche Mutter verstarb, als er zwei Jahre war. Daraufhin wurde er von der legitimen Frau seines Vaters großgezogen.

Aono Soh studierte zunächst Literaturwissenschaften an der Waseda Universität, verließ die Hochschule jedoch 1966 ohne Abschluss, um durch Europa und Nordafrika zu reisen. Als er 1971 nach Japan zurückkehrte, publizierte er sein erstes Werk. Die Jahre 1972 bis 1977 verbrachte er erneut als Weltenbummler. Zurück in Japan etablierte er sich als Autor und Literaturkritiker. Zudem lehrte er an der Tama Kunsthochschule.

Unter anderem erhielt Aono Soh 1979 den Akutagawa-Preis, 1992 den Yomiuri-Preis für den autobiographischen Roman „Mutter wo bist du“.

Ins Deutsche übersetzte Romane/Erzählungen und hier rezensiert:

Samstag, 7. Juli 2012

„Geständnis einer Maske“ von Yukio Mishima

Der Protagonist in Yukio Mishimas „Geständnis einer Maske“ entblößt vor dem Leser sein wahres Gesicht. Er beginnt sein Geständnis mit Erinnerungen an seine Kindheit. Mit Argwohn betrachtet er in einem illustrieren Buch die als Ritter gekleidete Jeanne d’Arc, doch er selbst hat ein Faible dafür, sich als wie eine Frau zu kleiden. Als er eine Abbildung des Heiligen Sebastians während dessen Märtyrertods zu Gesicht bekommt, ist dies für ihn eine sexuelle Offenbarung. Er fühlt sich von dem leidenden Adonis angezogen und hat fortan Phantasien von blutenden, jungen Männern, die so weit gehen, dass er sich gar vorstellt, wie er sie selbst mit einem Messer abschlachtet und die sterbenden Lippen küsst.

Es ist ihm bewusst, dass er anders ist als seine gleichaltrigen Geschlechtsgenossen und verbirgt sich hinter einer Maske der Normalität. Auch als er sich in einen Mitschüler verliebt, kann er dies erfolgreich verbergen. Mit 20 Jahren versucht er verkrampft, sich in Sonoko, die Schwester eines Freundes zu verlieben. Doch während Sonoko sich in ihn verliebt, fühlt er sich nur wohl in ihrer Gegenwart – sexuell lässt sie ihn völlig kalt. Als die junge Frau einen Heiratsantrag von ihm erwartet, macht er einen Rückzieher. Und selbst bei Prostituierten versagt sein bestes Stück. So muss er von dem Kumpan, mit dem er seinen Ausflug ins Rotlichtviertel begonnen hatte, fürchten, als impotent geoutet zu werden.

„Geständnis einer Maske“ liest sich auf zweierlei Weise etwas schwer: Der Protagonist neigt zur ständigen Reflektion, die passagenweise ziemlich gestelzt wirkt. Und trotzdem bleibt er für den Leser – oder zumindest für mich – recht unzugänglich. Das Leid des Außenseiters oder seine Suche nach Erfüllung wird nicht plastisch, sondern überintellektualisiert. Dazu kommen die verstörenden, homosexuellen Gewalt-Phantasien, die über Sadomasochismus weit hinausgehen und bluttriefend den Tod des Objekts der Begierde heraufbeschwören. Daher kann man als Leser nur hoffen, dass der Protagonist nie sexuelle Erfüllung finden mag, wenn diese nur durch Mord realisiert werden kann.

Ein bisschen glaubt man, den Autor, der seinen Körper mit Bodybuilding stählte und einen besonders blutigen Selbstmord wählte, ein bisschen besser nach der Lektüre von „Geständnis einer Maske“ verstehen zu können. Zart besaitete Leser sollten jedoch lieber die Finger von dem autobiographisch geprägten Roman lassen.

Bibliographische Angaben:
Mishima, Yukio: „Geständnis einer Maske“, Rowohlt, Reinbek 1988, ISBN 3-499-15652-0

Donnerstag, 5. Juli 2012

„Zwischen den Welten“ von Yoshi Oida

Der Schauspieler Yoshi Oida kommt 1968 während der Studentenunruhen nach Paris, um an einem internationalen Theaterprojekt teilzunehmen. Die Arbeitsweise seiner westlichen Kollegen ist ganz anders, selbst die Frauen überragen ihn an Körpergröße und sprachliche Verständigungsschwierigkeiten gibt es ohnehin. So wird Yoshi Oida gleich von Anfang an vor Herausforderungen gestellt, die neben den kulturellen Unterschieden auch noch die rein schauspielerischen umfasst.

Trotz aller Schwierigkeiten lässt sich Yoshi Oida 1970 auf das nächste Kulturen übergreifende Theaterprojekt ein, das Theaterleuten die Möglichkeit verschaffen soll, sich drei Jahre lang mit Grundfragen des Theaters zu befassen. So macht Yoshi Oida seine Erfahrungen sowohl mit bodenständigen als auch mit mystischen Ansätzen, zusammen mit der Theatertruppe geht es zu Vorstellungen in den Iran, einmal quer durch Afrika und in die USA.

1970 erfährt Yoshi Oida in Frankreich vom Selbstmord von Yukio Mishima, mit dem er in Japan zusammengearbeitet hatte. In „Zwischen den Welten“ erinnert sich Yoshi Oida an gemeinsame Erlebnisse und fragt sich, ob dieser Selbstmord nicht vielleicht abzusehen war.

Als Yoshi Oida 1973 nach Japan zurückkehrt, tritt er für einige Wochen in einen buddhistischen Orden ein, um hier Ansätzen fürs Theater nachzuspüren. Auch später versucht er, Religion, aber auch japanische Kriegskünste fürs Theater nutzbar zu machen. Doch schließlich zieht es ihn immer wieder nach Paris zurück.

Yoshi Oidas „Zwischen den Welten“ schneidet vielfältige Themen an: Der Autor hinterfragt die Beziehung des Westens zu Japan und anderen Kulturen, aber auch seine eigene Einstellung zur westlichen Kultur. Er beschäftigt sich mit Fragestellungen zum Theater, wie z.B. den Voraussetzungen, die die Truppe erfüllen muss. Er besinnt sich auf die japanischen Kultur zurück und setzt seine Erkenntnisse in Theaterübungen um. Und natürlich ist „Zwischen den Welten“ reich an Anekdoten rund um die internationale Schauspieltruppe und Yoshi Oidas Erlebnissen in aller Herren Länder.

Bibliographische Angaben:
Oida, Yoshi: „Zwischen den Welten“, Alexander Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-923854-59-5

Mittwoch, 4. Juli 2012

Yoshi Oida

Der 1933 in Kobe geborene Yoshi Oida gilt primär als Regisseur und Schauspieler. Seine Bücher basieren auf seinen Erfahrungen im internationalen Schauspielbereich.

Yoshi Oida studierte Philosophie an der Keio Universität und wurde Schauspieler im traditionell japanischen Stil des Kyogen und Gidayu. Er arbeitete unter anderem mit Yukio Mishima zusammen. 1968 nahm er eine Einladung zur Teilnahme am Theater der Nationen an und ging nach Paris. 1970 nahm er an einem dreijährigen Programm des International Center for Theater Research teil, das ihn unter anderem zu Aufführungen in den Iran, nach Afrika und in die USA führte.

Yoshi Oida lebt in Paris und wurde 1992 zum „Chevalier de l’Ordre des Arts et des Lettres“ ernannt, 2007 erhielt er den Rang eines „Officier“.

Interessante Links:

Hier rezensiert:

Weitere ins Deutsche übersetzte Werke:

  • Der unsichtbare Schauspieler
  • Die Tricks eines Schauspielers

Montag, 2. Juli 2012

„Das Gemeine und andere Erzählungen“ von Osamu Dazai

Seit der Lektüre von „Einspruch der Dekadenz“ hat mich ein bisschen das Osamu Dazai-Fieber gepackt. Mit „Das Gemeine und andere Erzählungen“ liegt ein Erzählband des Autors vor, der es sich zum Ziel gesetzt hat, alle Schaffensphasen Osamu Dazais exemplarisch zu illustrieren: Angefangen mit der ersten publizierten Erzählung „Erinnerungen“ bis zum unvollständig gebliebenen „Goodbye“, das in Asahi Shinbun folgenweise als Roman erschien und durch den Doppelselbstmord Osamu Dazais mit seiner Geliebten nicht beendet werden konnte.

Mit „Erinnerungen“ startet „Das Gemeine und andere Erzählungen“ und thematisiert Anekdoten und Schrulligkeiten des jungen Osamu Dazais. Weiter geht es mit „Das Gemeine", in dem der junge Ich-Erzähler seinen Lebensabend erlebt - hat er es sich doch nach einem missglückten Selbstmordversuch erneut zum Ziel gesetzt, sich das Leben zu nehmen.

Während des Krieges widmete sich der Autor klassischen japanischen Märchen: „Taro Urashima“ und „Der Knisterberg“ stehen exemplarisch für diese Schaffensphase. Osamu Dazai gibt hier nicht nur seine Version der Märchen wider, sondern kommentiert diese und versucht, die Moral zu deuten.

Und natürlich thematisiert er in mehreren Erzählungen, seinen eigenen, exzessiven Lebensstil, was auch gerne einmal clownesk wirkt:

„es ist auf alle Fälle nicht übertrieben, dass ich die ganzen Einnahmen durch meine Schriftstellerei für meine eigenen Vergnügungen verschwendet habe. Aber solche Vergnügungen sind für mich aus Verzweiflung Saufen, was mir Höllenpein bereitet, und Seitensprünge, die eher so etwas wie eine Rauferei mit furchtbaren und hässlichen Hexen sind.“ (S. 218)

Darüber hinaus räumt Osamu Dazai aber auch mit Erzählungen wie „Grillen“ und „Osan“ der (betrogenen) Ehefrau Redezeit ein.

Mit „Goodbye“ endet der Erzählband „Das Gemeine und andere Erzählungen“ als auch das Werk Osamu Dazais. Der Fortsetzungsroman wirkt wie Slapstick und lässt nichts von einer selbstmörderischen Verfassung des Autors erahnen.

Im mehr als 25-seitigen Nachwort wird der Leser mit wertvollen Hintergrundinformationen zu den einzelnen Erzählungen und zum Leben von Osamu Dazai versorgt. Insofern erscheint mir „Das Gemeine und andere Erzählungen“ ein Muss für alle, die sich näher mit dem Autor beschäftigen wollen, der in Japan als Star gilt.

Bibliographische Angaben:
Dazai, Osamu: „Das Gemeine und andere Erzählungen“, Iudicium, München 1992, ISBN 3-89129-306-2

Sonntag, 1. Juli 2012

„Nächte mit Spoon“ von Amy Yamada

Die Nachtclub-Sängerin Kim lernt den in Japan stationierten GI Spoon kennen und vernarrt sich hemmungslos in den Afroamerikaner aus Harlem. Es dauert nicht lange, dass er seinen Militärdienst hinschmeißt, und zu Kim zieht. Es beginnt eine gemeinsame Zeit von Drogenkonsum, Gewalt und Sex. Dass Spoon wegen seiner Fahnenflucht eine saftige Strafe droht, schwebt wie ein Damoklesschwert über der eigenartigen Beziehung der beiden. Und dann gibt es auch noch Probleme mit Kims Vertrauten Maria, die sich an Spoon ranmacht.

Die Handlung von Amy Yamadas „Nächte mit Spoon“ ist nicht sehr ergiebig. Aber mit 110 Seiten in übergroßer Schrift kann das Büchlein auch nicht viel hergeben. Kim schwadroniert fast unaufhörlich über ihre Beziehung zu Spoon, aber so richtig klar wird dem Leser die Konstellation nicht. Kim kann nicht ohne Spoon leben, doch scheint sie ihn noch nicht einmal ernst zu nehmen, hat Mitleid mit ihm. Sie liebt ihn und liebt ihn dann doch wieder nicht. Oder war am Ende doch alles nur ganz platt und ausschließlich sexuelle Anziehung?

Amy Yamada wurde nach der Veröffentlichung von „Nächte mit Spoon“ vorgeworfen, rassistische Stereotypen zu bedienen und den Afroamerikaner Spoon zu marginalisieren. Freilich lobt sie seine Potenz und seinen unrein wirkenden Körpergeruch, der sie animalisch anzieht. Doch andererseits findet sie in ihm auch einen zerbrechlich wirkenden Kern.

Die Charaktere und deren Motivationen wirken recht schwammig und lassen es kaum zu, dass man sich mit den Protagonisten identifiziert oder ihre Handlungen und Gefühle nachvollziehen kann. Fast wirkt „Nächte mit Spoon“ als wollte die Autorin primär nur schockieren. Wenn man neben Amy Yamadas Büchlein Ryu Murakamis Drogenexzess „Blaue Linien auf transparenter Haut“ legt, dann verblasst aber selbst das Schockelement. Und zwar ganz, ganz schnell.

Bibliographische Angaben:
Yamada, Amy: „Nächte mit Spoon“, Ammann, Zürich 2008, ISBN 978-3-250-60116-6