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Mittwoch, 18. Juli 2012

„Das Grab der Leuchtkäfer“ von Akiyuki Nosaka

Neben der gleichnamigen Erzählung enthält Akiyuki Nosakas „Das Grab der Leuchtkäfer“ ein weiteres Werk mit „Algen aus Amerika“.

Als wahrscheinlich bekannteste Erzählung Akiyuki Nosaka gilt wohl „Das Grab der Leuchtkäfer“. Die Geschichte ist stark autobiographisch gefärbt: Nach dem Tod der Mutter musste der damals 14-jährige Autor die letzten Kriegsmonate allein für sich und seine kleine Schwester sorgen. Seine Schwester starb an Unterernährung.

„Das Grab der Leuchtkäfer“ setzt mit den letzten Stunden im Leben des Kriegswaisen Seita ein. Er stirbt in einer Bahnhofshalle in seinen Exkrementen, bevor ihn staatliche Hilfen erreichen hätte können und vor den Augen seiner Mitmenschen, die Seita bereits abgeschrieben haben. Eine Rückblende beleuchtet die letzten Kriegsmonate: Seitas Mutter stirbt an den Folgen von Verbrennungen, die sie sich im Bombenhagel zugezogen hat. Seita ist nun für seine kleine Schwester Setsuko verantwortlich. Einige Wochen kommen sie bei einer Tante unter, die die Geschwister aber zunehmend als Last empfindet. Seita und Setsuko ziehen daraufhin in ein Erdloch um. Unfähig, sowohl sich als auch die Schwester zu ernähren, muss Seita zusehen, wie Setsuko immer schwächlicher wird und schließlich an Unterernährung stirbt. Nur die Leuchtkäfer begleiten die Geschwister während ihrer letzten Monate: Sie sorgen für ein bisschen Licht in der Erdhöhle und wohnen der Verbrennung von Setsuko bei. Als Setsukos Knochen achtlos nach Seitas Tod auf dem Boden landen, geben ihnen nur die Leuchtkäfer ein letztes Geleit.

Dank des Nachworts von Irmela Hijiya-Kirschnereit wird die Doppeldeutigkeit des Wortes „Leuchtkäfer“ klar – im Japanischen mit den Zeichen für „vom Himmel fallendes Feuer“ geschrieben und damit auf den Bombenhagel verweisend. „Das Grab der Leuchtkäfer“ ist ein trauriges Zeugnis der Grausamkeit des Krieges, der die Mitmenschen kalt werden lässt. Durch den nüchternen Schreibstil wird die Kälte zudem unterstrichen – es geht nur noch ums blanke Überleben.

Die zweite Erzählung „Algen aus Amerika“ setzt sich mit der Amerika-Allergie auseinander, die der Protagonist Toshio empfindet. Als 14-jähriger hat er den Beginn der Landung der amerikanischen Soldaten in Japan miterlebt – und wie er und seine Landsleute zu Bettlern um Kaugummi wurden. Als seine Ehefrau Kyoko das US-amerikanisches Pärchen der Higgins, das sie im Urlaub kennen gelernt hat, nach Japan einlädt, wird Toshio mit seinen Ressentiments konfrontiert. Den US-amerikanischen Soldaten konnte der damalige Teenager Toshio nichts anhaben – doch Herrn Higgins möchte er irgendwie in die Knie zwingen. Entweder durch Alkohol oder durch Sexabenteuer…

„Algen aus Amerika“ schlägt mehr in die Richtung von „Japanische Freuden“ und streut Salz in die Wunde der japanisch-amerikanischen Beziehungen.

Bibliographische Angaben:
Nosaka, Akiyuki: „Das Grab der Leuchtkäfer“, Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-13109-9

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