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Mittwoch, 23. Mai 2012

„Urlaub für die Ewigkeit“ von Akira Abe

Der Protagonist Teisuke in „Urlaub für die Ewigkeit“ erlebt gerade wahrlich keine schöne Zeit: Seinem Vater ist unheilbarer Krebs attestiert worden, die Ärzte geben ihm nur noch wenige Monate zu leben. Dem Vater soll die Diagnose verschwiegen werden, was Teisuke irgendwie gerade recht kommt: So kann er weiterhin abends mit seinen Kollegen saufen gehen und sein distanziertes Verhältnis zum Vater beibehalten. So richtig entsetzt über den baldigen Krebstod ist die unmittelbare Verwandtschaft ebenfalls nicht: Für die eigene Ehefrau, die der Vater seit jeher wie eine Sklavin herumkommandiert hatte, wäre sein Tod eine Befreiung. Und der zweitgeborene Sohn Ryoji war ohnehin seit Jahren mit ihm verstritten.

In Rückblenden erzählt Teisuke von dem sehr unschönen Familienleben während der letzten 30 Jahre: Der versoffene Vater hatte als ehemaliger Marineoffizier nach dem Krieg nie wieder Fuß fassen können und als Arbeitsloser von den illegalen Geschäften Ryojis gelebt. Als Ryojis verzweifelte Versuche, Geld für die Familie aufzubringen, aufflogen, verstieß der Vater seinen Sohn. Den erstgeborenen, bereits verstorbenen Sohn hatte er aufgrund dessen geistiger Behinderung kastrieren lassen. Und die Mutter behandelte er wie einen Fußabstreifer. Da war Teisuke, der drittgeborene Sohn, noch am besten weggekommen.

„Urlaub für die Ewigkeit“ wirft die Frage auf, ob man einem Familientyrann vor dessen Tod vergeben kann. Gerade einmal die Schwiegertöchter sind fähig, dem Sterbenden gegenüber den traditionellen Respekt einem Familienoberhaupt gegenüber zu bewahren.

Die autobiographisch gefärbte Erzählung von Akira Abe schildert eine wahrlich tragische Familienhistorie, die viele Aspekte japanischer Sozialgeschichte in sich birgt: Soldaten, die nach dem Krieg wertlos geworden sind und sich in einer entmilitarisierten Gesellschaft nicht mehr zu Recht finden. Patriarchalische Familienoberhäupter, die die Zeichen des Wandels nicht erkennen. Und Söhne, die während des Krieges ohne Väter aufwachsen.

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