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Donnerstag, 3. Mai 2012

„Das Gedächtnis der Steine“ von Hikaru Okuizumi

Im unmenschlichen Überlebenskampf in einer Inselhöhle, in der sich japanischen Soldaten während den Endzügen des Pazifikkriegs versteckt halten, werden die sterbenden Kameraden von ihren Landsleuten auf Anweisung des Kommandanten getötet und Maden aus Wunden gegessen, um nur irgendetwas in den Magen zu bekommen.

„Ein Kieselstein in unserer Hand erzählt die Geschichte der Welt, und auch Sie sind Teil dieser Geschichte. Und was Sie in ihm entdecken, ist die Gestalt, die Sie in der Zukunft annehmen werden.“ (S. 48f.)

Kurz bevor er in der Höhle auf der Insel Leyte sein Leben aushaucht, gibt ein Soldat seinem jungen Kameraden Manase die Philosophie der Steine auf den Weg. In dem Kreislauf von Magma über Fels, Stein und Sand bis zu Sediment zeugt jeder Stein von jahrtausendalter Geschichte.

Manase verfällt nach Kriegsende und zurück in Japan der Faszination der Steine. Nichts bremst seinen Sammeleifer und aus einem absoluten Laien wird ein unakademischer Profi der Geologie. Doch scheint diese geradezu verbissene Leidenschaft, unter der Manases Familie leidet, vor allem einem Verdrängungseffekt des Kriegstraumas geschuldet zu sein. So beschwört Manase nicht nur einen fatalen Generationskonflikt herauf.

Hikaru Okuizumis „Das Gedächtnis der Steine“ driftet aber auch in eine phantastische Richtung, wenn Manase in einer japanischen Gesteinshöhle auf seinen brutalen Kommandanten aus Leyte zu treffen glaubt. Gegenwärtiges und längst Vergangenes beginnen sich zu überlagern. Tote erscheinen und wollen Manases Kinder getroffen haben. Eine Deutung dieser Geschehnisse obliegt dem Leser, der jedoch ein bisschen ratlos zurückgelassen wird.

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